Die große Politik im fernen Berlin redet wieder übers Bürgergeld. Hand aufs Herz: Blicken Sie da noch durch? Erst Hartz IV, dann Bürgergeld. Mal fordern und fördern. Mal nur noch fördern. Mal Sanktionen für Arbeitsunwillige. Dann wieder: Nee, bloß keine Strafen. Und was heißt das eigentlich für Koblenz und unsere Region?
Wer sich durch die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit und der Stadt quält, findet ziemlich viel Zahlen-Salat über Bürger und Bürgergeld. Aber es gibt auch interessante Erkenntnisse!
Koblenz hatte im ersten Quartal 114.749 Einwohner. Darunter waren 41.644 mit Migrationshintergrund. Erkenntnis 1: Unser Kowelenz ist so was von multikulti . . . Jeder dritte Einwohner (36,3 Prozent) hat ausländische Wurzeln. Vor zehn Jahren, im ersten Quartal 2014, lag der Anteil noch zehn Prozent niedriger - bei 26,8 Prozent.
Die Stadt zählte im ersten Quartal 61.480 Privat-Haushalte. Davon lebten im März 4865 von oder mit Bürgergeld. Von den sogenannten Bedarfsgemeinschaften waren 2639 Singles, 884 Alleinerziehende, in 454 lebten Paare ohne Kinder, in 785 Paare mit Kindern. Erkenntnis 2: Über den Daumen gepeilt, brauchen etwa acht Prozent der Koblenzer Haushalte soziale Unterstützung. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber irgendwie beschleicht mich ein ungutes Gefühl, wenn jeder zwölfte Haushalt unserer Stadt nur mit staatlicher Hilfe überleben kann. Andererseits - nur mal so ein Gedankenspiel: Angenommen, wir hätten amerikanische Verhältnisse. Kein Bürgergeld, keine Sozialhilfe. Wäre die Löhrstraße dann voll mit obdachlosen Bettlern? Oder gäbe es dann vielleicht weniger offene Stellen und keinen Mangel an Personal für einfache Jobs?
Dazu ein paar Zahlen. In den Koblenzer Bürgergeld-Haushalten lebten im März insgesamt 9645 Personen, davon waren 4581 Ausländer. Unter diesen Personen sind aber auch Kinder, Alleinerziehende oder Alte, die nicht arbeiten können. Als erwerbsfähig gelten 6645 - etwa die Hälfte (3173) davon sind Ausländer. Gleichzeitig verzeichnet die Arbeitsagentur im Juni 1787 offene Stellen allein in Koblenz. Auf jede offene Stelle an Rhein und Mosel kommen also rein rechnerisch 3,7 erwerbsfähige Bürgergeldbezieher. Erkenntnis 3: Bei diesen Zahlen ist es kein Wunder, dass viele Gewerbetreibende und Unternehmer auch in Koblenz das Bürgergeld als Jobbremse kritisieren.
Aber wie sieht es denn nun finanziell aus? Im Durchschnitt standen jedem der Koblenzer Bürgergeld-Haushalte im März 1291 Euro im Monat zu. Bei Singles sind es 1020 Euro, bei Alleinerziehenden 1405 Euro. Paare ohne Kinder haben Anspruch auf 1363 Euro, Paare mit Kindern auf 2009 Euro. In diesen Summen sind die sogenannten Regelsätze sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung enthalten. Allein im März zahlte das Jobcenter in Koblenz rund 6,3 Millionen Euro an die Empfänger von Bürgergeld aus. Erkenntnis 4: Große Sprünge kann man mit dem Bürgergeld in Koblenz sicher nicht machen. Aber wer als Geringverdiener mit Familie mehr als 2000 Euro im Monat netto nach Hause bringen will, muss sich schon recken. Ich sage es mal so: Die Aussicht auf ein bedingungsloses Grundeinkommen in gleicher Höhe wirkt sicher nicht gerade sehr motivierend, um sich jeden Morgen zur Arbeit zu quälen . . .
Und was machen wir jetzt mit dem Zahlen-Wust rund ums Bürgergeld? Seien wir froh, dass wir in einem Land leben, dass sich ein solch großzügiges Sozialsystem leisten kann. Aber wir müssen auch aufpassen, dass wir unseren Sozialstaat nicht überfordern. Wie sagte es kürzlich Alt-Bundespräsident Joachim Gauck in anderem Zusammenhang so treffend: „Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Wie wahr . . .