Eine Frage, die wahrscheinlich kaum Menschen häufiger gestellt wird als Theaterschaffenden.

Was machen Sie eigentlich tagsüber? – Eine Frage, die wahrscheinlich kaum Menschen häufiger gestellt wird als Theaterschaffenden. (Vielleicht noch Ingenieurinnen und Ingenieuren. Aber das Geheimnis muss von jemand anderem gelüftet werden, denn da habe ich ehrlich gesagt auch keine Ahnung.)

Dabei ist, so sollte man meinen, die Arbeit im Theater ja wie kaum eine andere öffentlich zur Schau gestellt: Wer möchte, kann sich jeden Abend ansehen, wie Spieler*innen immer aufs Neue das Publikum zum Lachen, Weinen oder Nachdenken bringen möchten. Dahinter, das weiß man irgendwie noch, steht ein Probenprozess – aber was genau passiert dort?

So unterschiedlich wie jedes Stück, jedes Ensemble und jede*r Regisseur*in ist, ist natürlich auch die Probenarbeit. Den Auftakt eines jeden Probenprozesses bildet aber immer eine Konzeptionsprobe (wie sie momentan an den Burgfestspielen gestaffelt fast jede Woche stattfinden). Dort treffen nicht nur Regisseur*in und Ensemble zum ersten Mal offiziell aufeinander, sondern auch alle anderen Beteiligten: Vertreter*innen aus dem Bühnen- und Kostümbild, der Dramaturgie, Requisite und Technik begegnen sich, häufig zum ersten Mal, um einander gegenseitig ihre Ideen vorzustellen. Zum Beispiel lernt man so anhand von Skizzen und einem kleinen Modell die Idee für das Bühnenbild kennen und auch, wie diese Idee zustande kam. Zugleich stellt auch die Regie ein erstes Konzept vor: Was findet sie spannend am Stück? Worauf wird womöglich der Fokus liegen? An welchen Spielweisen wird man sich orientieren? Diese erste Konzeptionsprobe ermöglicht es allen Beteiligten, einen Überblick über alle für das Stück werkelnden Bereiche zu erhalten und so schon mal eine Idee vom Gesamtbild zu entwickeln.

Nun kann die eigentliche Probenarbeit beginnen.

Wie bereits erwähnt, läuft diese durch die unterschiedlichen Regisseur*innen, Ensembles und Stücke natürlich so unterschiedlich ab, dass sich bis auf die Probenzeiten von 10 bis 14 Uhr und 18 bis 22 Uhr kaum eine einheitliche Beschreibung finden lässt. Die erste Probenwoche vom „Urfaust“, bei dem ich die Regieassistenz übernehme, war zum Beispiel durch viel Diskussion auf Augenhöhe (u.a. zum Textverständnis und Inhalt), Übungen zum Gruppen- und Raumgefühl und Ausprobieren szenischer Aktionen geprägt. Eine Besonderheit der Burgfestspiele ist zudem, dass die Spieler*innen in zwei Produktionen gleichzeitig mitwirken und darum nur selten zweimal am Tag für dasselbe Stück proben. Das bedeutet nicht nur dadurch eine Herausforderung, dass doppelt so viel Text zu lernen ist, sondern auch durch das tägliche Hin- und Herwechseln zwischen zwei verschiedenen Welten.

Denn nichts anderes ist ein Probenprozess – das Erkunden und Aufbauen einer ganz eigenen Welt, die zu ihren eigenen Regeln funktioniert, die es so vorher nicht gab. Ob das nun bedeutet, dass in dieser Welt in der einen Szene alle quasi knochenlos aneinander zu Boden gleiten und in der anderen starren Schrittes einander ausweichen, ob es bedeutet, dass alle Gefühle und wichtigen Gedankengänge mit einem Lied ausgedrückt werden, ob es bedeutet, dass alle Spieler*innen abgefahrene bunte Kostüme tragen – das ist mit jedem Stück unterschiedlich. Gleichzeitig ist es das, was die Proben auch so magisch macht: Sich auf die Suche nach einer Welt zu begeben, von der man noch nicht mehr weiß als den Text, der darin gesprochen wird – und wann sie auf einer Bühne stehen soll.