Stell Dir vor, Koblenz vergeudet 17,5 Millionen Euro - und keinen interessiert’s . . .
Was ist passiert? Im Stadtrat hat die Verwaltung eine Total-Pleite einräumen müssen. Es geht um die Klärschlammvergasungsanlage im Kammertsweg in Wallersheim. Das war mal ein Vorzeige-Projekt. Heute will davon keiner mehr was wissen. Seit 2006 geplant, ab 2018 im Probebetrieb, 2023 stillgelegt.
Die Idee klang zu schön um wahr zu sein: Klärschlamm wird getrocknet und das dabei entstehende Gas betreibt ein Blockheizkraftwerk, das genügend Strom für die gesamte Anlage erzeugt. Ein „energieautonomes Koblenzer Klärwerk“ so lautete das vollmundige Versprechen. Eine Kläranlage als Perpetuum Mobile also. Man könnte auch sagen, die Stadt wollte aus Sch. . . . Gold machen.
Dabei war in Unterlagen der Stadtverwaltung schon 2011 von einem „mittleren Fehlbetrag von 59.900 Euro/Jahr gegenüber der derzeitigen Betriebsweise“ die Rede. Nur unter Berücksichtigung steigender Strompreise und einer Inflationsrate von drei Prozent hätte sich ein Kostenvorteil ergeben.
Dazu kamen viel zu optimistische Prognosen über die Menge des Koblenzer Klärschlamms. Obwohl in der Stadt im Schnitt nur 3400 Tonnen Trockenschlamm pro Jahr anfielen, wurde die Anlage auf 4000 Tonnen ausgelegt. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr nur 2400 Tonnen gezählt. Und mit dieser Menge kann die Anlage nicht ganzjährig betrieben werden. 2022 lief sie nur ganze 1006 Stunden. Dass inzwischen auch noch geschultes Personal zum Betrieb der komplizierten Anlage fehlt, ist nur noch eine Randnotiz. Ebenso eine Explosion im Blockheizkraftwerk im November 2020. Das gesamte Projekt stand irgendwie unter keinem günstigen Stern.
Trotzdem bejubelt die Stadtentwässerung die Anlage auf einem großen Plakat vor der Kläranlage und im Internet immer noch als Vorzeigeobjekt. Erstmals werde mit dem Bau „eine vollständig energieautarke Klärschlammbehandlung“ realisiert. Am „Beispiel der Kläranlage Koblenz“ werde gezeigt, dass die „anfallende Klärschlammmenge ohne zusätzlichen Energiebezug von externen Anbietern um etwa 85 % reduziert und bei optimaler Auslegung des Systems zusätzliche Energie zur Versorgung anderer Betriebsanlagen bereitgestellt werden kann“. Vom Stillstand und dem Verlust von 17,5 Millionen Euro ist dort nichts zu lesen.
Und wer ist nun verantwortlich für die Pleite? Die Verwaltung hat schon mal eventuellen Schuldzuweisungen vorgebaut. Sie weist süffisant darauf hin, dass sich der „Werksausschuss Stadtentwässerung“ seit 2008 sage und schreibe 88 Mal mit dem Projekt befasst hat. Kann also keiner sagen, er hätte nichts gewusst. Aber frühzeitig eingeschritten ist auch niemand.
Es ist diese organisierte Verantwortungslosigkeit, die dem Steuerzahler die Tränen in die Augen treibt. Alle wollten grün und nachhaltig sein. Ist ja so modern. Wer kann schon gegen ein Umwelt-Projekt sein? Risiken, die eine solche Pilotanlage mit sich bringt? Ausgeblendet! Klang einfach zu schön: Aus stinkendem Klärschlamm wird sauberer Strom. Aber es gilt wie so oft: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht.
Es ist für die Bürger auch kein Trost, dass sogar die EU auf den Koblenzer Klärschlamm-Zauber reinfiel und das Projekt mit genau 2.085.118 Euro förderte. Denn auch das EU-Geld aus dem fernen Brüssel stammt: vom Steuerzahler.
Nur zur Erinnerung: Koblenz ist mit mehr als 500 Millionen Euro verschuldet. Überall soll der Rotstift angesetzt werden. Projekte in vielen Stadtteilen stehen auf der Kippe. Für Schulessen, Grund- und Gewerbesteuer sollen die Bürger tiefer in die Tasche greifen. Und im Klärwerk Wallersheim verrotten die Millionen wie der Klärschlamm.
Ein Trauerspiel!