Eine aktive Gemeinschaft kümmert sich um die Probleme behinderter Menschen in Koblenz.

Koblenz |

Der Begriff „Inklusion“ steht seit einigen Jahren für die gemeinsame Lebensgestaltung von behinderten und nichtbehinderten Menschen. Was eigentlich im Zeitalter der Gleichberechtigung schon längst eine Selbstverständlichkeit sein sollte, macht heute noch an vielen Stellen Probleme für körperlich oder mental behinderte Mitbürger*innen. Sei es der hindernisfreie Zugang zu Gebäuden, öffentlichen Einrichtungen und Veranstaltungen oder auch die qualitativ hochwertige Ausbildung und Berufsausübung – in fast allen Lebensbereichen finden sich Barrieren, die trotz moderner Technik oder bestem Willen der Beteiligten für Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen nahezu unüberwindlich sind. Noch viel schwieriger war es vor rund 60 Jahren, als vor allem durch den Contergan-Skandal das Bewusstsein für die Handicaps der betroffenen Menschen in die Öffentlichkeit rückte. Am 22. Mai 1971 gründete sich in Koblenz der Verein „Der Kreis – Club Behinderter und ihrer Freunde e.V.“ mit der Zielsetzung, den Betroffenen einen Weg zu einem selbstbestimmten Leben zu eben.

„Im Laufe der zurückliegenden Jahre haben wir schon einiges in Koblenz erreichen können“, erzählt André Bender, der 1. Vorsitzende bei einem Treffen in den Vereinsräumen „Am alten Hospital 3a“. „Aber wenn man heute durch die Stadt geht, findet man noch einige Stellen, die vor allem für Rollstuhlfahrer oder Sehbehinderte geradezu gefährlich werden können. Was die Lebensgestaltung angeht sind die Chancen heute zwar deutlich gewachsen für Behinderte, dennoch längst nicht ausreichend.“ Auf der Erfolgsseite des Kreises stehen einige beachtliche Projekte. So war Koblenz die erste Stadt in Deutschland, die abgeflachte Bordsteine in der Innenstadt installierte. Schon 1974 gab es eine Auszeichnung für den behindertenfreundlichen Stadtführer. An der Gründung eines Behindertenrates in der Schängelstadt war „Der Kreis“ ebenso beteiligt wie in der Arbeitsgruppe für eine barrierefreie BUGA 2011. Ein großes Engagement gab es beim Bau eines Servicehauses mit 22 rollstuhlgerechten Wohnungen. Hier kann das Ziel eines „selbstbestimmten Lebens“ für die Behinderten noch am besten umgesetzt werden. „Wohnheime mit entsprechender Betreuung sind für manche Menschen sicher eine hilfreiche Einrichtung, aber grundsätzlich stehen wir einer solchen Lösung eher kritisch gegenüber. Wir würden lieber viel mehr behinderte Menschen unabhängig von Institutionen in Wohnungen sehen, die sie eigenständig einrichten, bewirtschaften und nutzen, von wo aus sie einer beruflichen Tätigkeit wie jeder Nichtbehinderte auch nachgehen können. Aber da ist in Koblenz noch viel Luft nach oben“, kann Bender berichten. Manche Hürde ist durch gesetzliche Bestimmungen aufgestellt, ein Problem ist auch der Zugang zu betroffenen Jugendlichen, die oft schon frühzeitig durch den fehlenden Zugang zu „normaler“ Schul- und beruflicher Ausbildung in ihrer freien Lebensgestaltung eingeschränkt sind.

Ehrenamtlichkeit ist die Grundlage der Arbeit

Aufgaben gibt es also für den ehrenamtlich geführten Verein „Der Kreis“ noch eine Menge. Zum Angebot gehören regelmäßige Treffen in den Vereinsräumen zum Reden, Erfahrungs- und Gedankenaustausch und auch zum Spielen. Besonders beliebt sind die Sonntagsausflüge zu attraktiven Zielen in der Rhein-Mosel-Region. Zuletzt ging es zum Radioteleskop Effelsberg nahe Bad Münstereifel, gemeinsames Kaffeetrinken inklusive.

Doch Corona hat solchen Aktivitäten zur Zeit eine Unterbrechung gesetzt, gleichzeitig aber dem Verein auch neue Herausforderungen beschert. Viele Behinderte sind durch die Pandemie an ihre Wohnräume gefesselt, benötigen Unterstützung bei organisatorischen Angelegenheiten oder Behördenklärungen oder auch telefonische Kontakthaltung, um die Verbindungen zur Außenwelt nicht völlig zu verlieren. „Wir versuchen mit den bescheidenen finanziellen Mitteln, die wir ausschließlich durch die moderaten Mitgliedsbeiträge und gelegentliche Spenden erhalten, irgendwie die Hilfe an die Menschen zu bringen, damit sie auch in diesen Zeiten die Einschränkungen meistern. Dabei helfen wir nicht nur unseren rund 125 Mitgliedern, sondern auch anderen Behinderten, wenn sie sich entsprechend an uns wenden“, fasst Jürgen Trenner-Wißner die zurückliegenden Monate zusammen. Er betreut u.a. im Verein mit der sechsmal im Jahr erscheinenden Zeitung „Der Rundbrief“ das wichtige Medium, mit dem die Mitglieder sowohl über die Aktivitäten wie auch über aktuelle Themen aus der Sicht behinderter Menschen informiert werden. So gab es beispielsweise zu den Landtagswahlen im März 2021 eine ausführliche Informationen über die Wahlverfahren, den Ablauf der Wahlen mit den verschiedenen Möglichkeiten zu Stimmabgabe sowie die barrierefreie Beschaffenheit der diversen Wahllokale im Stadtgebiet.

Aktionstag soll im September mit Jubiläumsfeier nachgeholt werden

Eigentlich war vorgesehen am 5. Mai beim „Tag der Begegnung“ mit großen Aktionen und Prominenz aus Stadt und Land das 50. Jubiläum groß zu feiern. Doch die Landesverordnungen zur Corona-Pandemie haben da zunächst einen Strich durch die Planung gemacht. Nun hofft man auf den Herbst mit dem 4. September 2021 als vorläufigen Nachholtermin. So oder so wird das Motto des Vereins im Mittelpunkt stehen: „Zusammen und Füreinander Hilfe zur Selbsthilfe, Autonomie, Teilhabe und Integration in das soziale Leben schaffen.“ Und natürlich sollen dabei auch die gerade nach einem großen Wasserschaden renovierten Vereinsräume wieder im Mittelpunkt für Treffen von Behinderten und Nichtbehinderten stehen. Zu tun gibt es für den fünfköpfigen Vereinsvorstand und die Gruppenleiter, die sich um die einzelnen Angebote kümmern, noch genug. Wenn man berücksichtigt, dass all diese Aktivitäten auf einer ehrenamtlichen Basis stehen, ist das Engagement des „Kreises“ nicht hoch genug zu bewerten.

Mehr zu „Der Kreis – Club Behinderter und ihrer Freunde e.V.“ unter www.der-kreis.net.