Jetzt ist sie wieder zurück in Dausenau an der Lahn. Anna Dogonadze, die Olympiasiegerin im Trampolinturnen von 2004 in Athen. Sie ist auf der Suche nach einem Arbeitsplatz. Sie braucht ihn für sich, für ihre Tochter und die beiden Enkelkinder. Anna ist kein Einzelfall. Bei uns ist eine Goldmedaille kein Berechtigungsschein für eine Karriere und es ist erlaubt zu fragen, ob sich der Sport zu wenig um seine Goldmedaillengewinner nach der Karriere kümmert.
Die Lebensgeschichte der Anna Dogonadze. Tochter Miriam war ein Jahr, als Mutter Anna mit ihr 1996 aus Georgien nach Deutschland kam. In Mzcheta im Kaukasus, einem 8000-Einwohner-Städtchen, 20 Kilometer von der Hauptstadt Tiflis entfernt, wurde Anna Dogonadze 1973 geboren. Die Eltern und der Bruder leben immer noch dort. Mit sechs Jahren begann Anna mit dem Turnen, ihre Tante war Direktorin einer Akrobatenschule. Das Trampolin wurde ihr Sportplatz.
Es zog sie fort aus Georgien, 1996 nach Deutschland, 1998 erhielt sie ihren deutschen Pass. In Bad Kreuznach fand sie eine neue Heimat. Hier beim Männerturnverein, wo unter Trainer Steffen Eislöffel damals wie heute die besten Trampolinturner zu Hause sind. Kreuznach wurde zum Glücksfall und sie war es für den Verein. 2000 bei den Olympischen Spielen in Sydney startete sie für Deutschland. Und sie führte nach dem Vorkampf, doch dann erwischte sie eine fiebrige Erkältung und sie fiel noch auf Rang acht zurück. Athen, vier Jahre später, sollten ihre Spiele werden. Anna Dogonadze wurde Olympiasiegerin. Die erste Deutsche war sie, die in dieser Sportart olympisches Gold gewann. Mit einem Schlag machte sie das Trampolinturnen bekannt, ihre Art begeisterte und faszinierte. Die Dogonadze, eine Mischung aus Grazie und natürlichem Charme. Und sie ließ sich feiern, schlug fast keine Wünsche ab und wurde zur Botschafterin in Sachen Trampolinturnen. Auch bei den Olympischen Spielen 2oo8 in Peking war sie dabei und wurde wieder Achte. Und auch die Spiele 2012 in London durfte sie mitmachen. Sie hatte den sportlichen Zenit bereits überschritten, aber die viere Teilnahme an Olympia war erneut ein großer Erfolg. Zehnte wurde sie und erreichte dieses Mal das Finale nicht. Viermal Olympische Spiele, drei Weltmeistertitel, viermal Silber und sechsmal Bronze bei der WM, Erfolge bei Europameisterschaften und ungezählte Deutsche Meisterschaften, sie war die Beste aller Zeiten.
Nach London war das sportliche Ende gekommen. Der Körper machte nicht mehr mit, vor allem der Rücken machte ihr zu schaffen. Dabei wäre sie eigentlich am liebsten ein Leben lang auf dem Trampolin gesprungen. „Das konnte ich am besten. Ich hatte gelernt, bis zum Ende zu kämpfen“, erzählt sie. Aber es ging nicht mehr.
Das Ende im Sport war der Anfang eines neuen Lebens. Im Beruf. Anna lernte schnell, dass eine Goldmedaille kein Berechtigungsschein für eine berufliche Karriere ist. Sie machte bei Lotto eine Lehre, versuchte es dann als Trainerin im Turnen, machte dies und jenes. Seit 2o16 war sie selbstständig, bot Gesundheitskurse an, arbeitete als Honorartrainerin im Trampolinturnen für den Schweizer Turnverband. Auf dem Trampolin war sie die Größte, im Leben musste sie sich nach den Bedingungen des Marktes strecken. „Ich lasse mich zu schnell überreden“, sagt sie. Und meint damit, dass sie außerhalb des Trampolins die Balance noch oft finden muss.
2o10 hat sie ein Haus in Dausenau im Rhein-Lahn-Kreis erwerben können. Die einzige Olympiasiegerin des Kreises, 2004 mit dem Silbernen Lorbeerblatt, der höchsten deutschen Sportauszeichnung, geehrt, Sportlerin des Jahres im Lande.
Ehrlich, liebenswert, hilfsbereit, mit dem Sprachfehler behaftet, nicht Nein sagen zu können. Eine 52jährige, die man umarmen möchte, fest an sich drücken, eine der ganz Sympathischen. Eines Tages wird sie einen Prinzen finden, der alle ihre Träume erfüllen wird. Verdient hätte sie noch mehr.
