In Erinnerung an die großartige Nationalelf vor genau 50 Jahren bei der EM 1972 in Belgien… und einer der größten Manager, EX HSV’ler, in der Bundesliga.

von Friedrich W. Dittmann

Montagabend. Willy, mein Kater, und ich lümmeln uns auf dem Sofa und schauen uns das zweite Relegationsspiel an, der HSV wird nach der 0:2-Niederlage im Rückspiel und dem 1:0-Sieg im Hinspiel ein weiteres Jahr in der zweiten Bundesliga verbringen und die „Hertha“ bleibt Erstligist.

Willy war wie immer nach kurzer Zeit eingeschlafen. Ihn zu wecken, wäre fatal gewesen. Er wäre sofort mit seinen dicken Pfoten dem Ball auf dem Bildschirm gefolgt, nur um sich grausam zu rächen.

Kurz vor der Halbzeit zur späten Stunde hörten wir aus der Richtung des Balkonfensters ein lautes Mauzen. Willy, mit seinen sensiblen Ohren, stand sofort „senkrecht“. Draußen stand Günter, sein bester Freund, soweit es sowas bei Katzen gibt. Spätestens, wenn Günter an den roten Fressnapf mit den bunten Mäusen ging, brachen kriegsähnliche Handlungen aus. Da sind Katzen wie Menschen.

Günther war ein rundliches Geschöpf mit schwarzgrauer Färbung und zerfetzten Ohren. Der Typ Raufbold. Willy war er ein Ästhet auf vier Beinen.

Günters Besitzer...Quatsch, Katzen kann man nicht besitzen. Sie respektieren oder sie hassen dich – Eigentümer war unser Nachbar Heinrich. Er- hatte das Tier nach dem genialsten Mittelfeldstrategen getauft, den die Welt je gesehen hatte, Beckenbauer ok; aber Günter Netzer war nicht nur für Heinrich der Größte. Mehr Tänzer, der Nurejew am Ball, als ein Laufwunder. Einfach nur groß. Er wechselte sich auch mal selbst ein und schoss das entscheidende Tor, wie in Düsseldorf.

Während der landläufige südländische Kicker nach einem gewöhnlichen Foul umfällt wie vom Blitz getroffen und sich mindestens fünfmal ohne physikalischen Schub abrollt, sank Günter, seine blonde Mähne schüttelnd mit einem Blick voller Verachtung für alles Gewöhnliche, langsam zu Boden und blieb regungslos liegen. Man dachte eher an Siegfried aus der Nibelungensage statt an Fußball. Ganz großes Kino.

Natürlich sah sich Günter nicht veranlasst, übermäßig viel zu Laufen. Er hatte einen treuen Adlatus. Hacki Wimmer. Der lief 90 Minuten das Feld rauf und runter als gäbe es kein Morgen, nur um Günter den Weg zu ebnen. Schon in frühen Jahren bedurfte er des Austausches seiner Hüftgelenke, was ihn aber nie entmutigte. Ein genialeres Duo als Beckenbauer/Schwarzenbeck.

Mit Empörung denkt man an das Spiel bei der Weltmeisterschaft 1974 gegen die DDR. als Günter spielen durfte. Niemand, nicht einmal Helmut Schön, hatte Günter verstanden. Er wurde nicht mehr eingesetzt. Dabei war Günter nur seinem Prinzip treu geblieben: Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss. Wir sind bekanntlich doch Weltmeister geworden.

Willy hatte das genau erkannt. Er zitiert den Spruch regelmäßig, wenn ich eine hektische Phase habe. Er würde, wenn er könnte, Günter am Bökelberg ein Denkmal bauen.