Kurt Müller, streitbarer Lehrer und Kämpfer für einen Schulsport, den wir heute dringend brauchten, ist nicht melancholisch zu Mute, wenn er die Jahre 2011/12 zitiert, die gleichbedeutend sind mit dem Ende eines Volleyball-Phänomens in der Provinz. Noch einmal wird in diesem Jahr der VC Mendig Meister der 2. Bundesliga, die U 20 wird Meister und Mendig zur „Mannschaft des Jahres“ gekürt. Und doch ist nach 25 Jahren der Zugehörigkeit zur 1. und 2. Bundesliga Schluss. Mit dem Weggang junger Spieler nach dem Abitur zum Studium und vor allem dem Eingeständnis, dass die Kraft fehlt, wie ein Vierteljahrhundert zuvor um Sponsoren zu buhlen in einer Region, in der eigentlich Volleyball nicht die Sportart Nummer 1 ist.
Kurt Müller und seine Freunde beenden das Abenteuer Volleyball in Mendig. „Ohne Insolvenz, schuldenfrei, ohne Verwerfungen und Streitigkeiten und nicht so wie in vielen anderen Vereinen haben wir der Bundesliga Ade gesagt. Was wir Freunde aufgebaut haben, das haben wir auch unter Freunden beendet“, erzählt Kurt Müller gut zehn Jahre später.
Der VC Eintracht Mendig ist geblieben. Und wie. Und nach drei Jahren sportlicher Abstinenz merken die Macher von einst, die Bernd Mitnacht, Günter Tretschok, Andre´ Müller, Lutz Kasper und Kurt Müller, das ihnen doch etwas fehlt. Das Spiel mit dem runden Ball, der über das Netz muss, es hat sie mehr beschäftigt als sie zugeben wollten. In die Bundesliga wollen sie nicht mehr, aber ohne Volleyball kann es nicht gehen. Kurt Müller will wieder dort anfangen, wo einst die Geschichte des VC Mendig ihre Grundlage hatte, in der Kinder-und Jugendarbeit. Ein wenig älter sind sie geworden, der ein oder andere auch etwas kränker, aber die Erinnerung an 1968, als alles mit einer systematischen Jugendarbeit begann, die ihren Ursprung in der Schule hatte und die dann auf den Verein überging, dieses Wissen, dass diese Rezeptur schon einmal erfolgreich war, das beflügelt.
Claudia Bach wird ein Glücksfall für den Verein. 2016 beginnt sie als Übungsleitern mit D-Lizenz im Verein. Sie bildet sich extrem weiter, ist 2023 A-Lizenz-Trainerin und längst nicht mehr nur Übungsleiterin in Mendig. Sie wird Landestrainerin im Volleyballverband Rheinland-Pfalz und die Lehrgänge finden zumeist in der legendären Halle in Mendig statt, wo einmal die Creme de la Creme der Bundesliga bei den Männern zu Gast war. Vor allem aber entwickelt Claudia Bach mit Lisa Schultze, Philipp Müller und Marie Jürgens weitere begabte Übungsleiter, die die Breite des Vereins sichern. Bis heute sind sie das Fundament des Erfolges in der Jugendarbeit.
Mit Claudia Bach als Trainerin gewinnt die Jugend des VC Mendig in allen Jugendklassen des Rheinlandes und in Rheinland-Pfalz die Titel. Man qualifiziert sich für die Südwestdeutschen Meisterschaften und nimmt zweimal in der Halle und einmal im Beachvolleyball an der Deutschen Meisterschaft teil. Wieder wie im letzten Jahrhundert ein Volleyballwunder in Mendig? Seit 2023 ist Claudia Bach Co-Trainerin der U -18 Nationalmannschaft. Und sie entdeckt in Mendig Lena Schultze, am 19.Mai 2008 in Neuwied geboren, ein Ausnahmetalent des deutschen Volleyballs. Über den Rheinland-und Rheinland-Pfalz-Kader kommt Lena zu einem Sichtungslehrgang der deutschen Nationalmannschaft. 2022 rückt sie in den Bundeskader auf. Im August 2023 wechselt sie in den Bundesstützunkt der Nationalmannschaft nach Münster, geht dort ins Gymnasium. Sie spielt jetzt für den Traditionsclub USC Münster in der Oberliga und auch in der 3.Bundesliga. Dort soll sie als Leistungsträgerin aufgebaut werden. Im April 2023 ist Lenas erster Einsatz in der U17-Nationalmannschaft. Sie spielt die EM-Qualifikation in Bulgarien und ist auch bei der Europameisterschaft in Ungarn im gleichen Jahr dabei. Bei der EM-Quali 2024 in Spanien ist sie bei den erfolgreichen Spielen gegen England, Spanien. Finnland, Portugal und Ungarn dabei. Bei der EM in Griechenland selbst spielt sie im entscheidenden Spiel gegen Finnland , überzeugt mit einer überragenden Leistung und steht im letzten Spiel gegen Litauen in der Startaufstellung. „Lena hat ihre Rolle hervorragend erfüllt. Zuerst als Aufschlagjoker und dann im Angriff gegen Finnland. Sie war eine wichtige Stütze für das Team und eine Grundlage des Erfolges“, sagt Lenas Mentorin und National-Co-Trainerin Claudia Bach. Der EM-Erfolg ist zugleich die direkte Qualifikation für die U-18-Weltmeisterschaft.
Lena Schultze, auch ein Ergebnis für einen ungewöhnlichen Verein. Ihr notwendiger Weggang nach Münster war kein Bruch mit Mendig oder Bell, wo sie wohnt. Auch in Münster behielt Lena Schultze das „Erstspielrecht“ für den VC Eintracht Mendig, mit dem „Zweitspielrecht“ tritt sie für Münster an. Das Elternhaus und die Erfahrungen, die sie im Volleyballverein Mendig machen durfte , sorgen für eine starke Bindung an Mendig und vor allem den Verein. So oft Lena kann, ist sie bei den Heimspielen ihrer Mädels dabei, unterstützt sie, auch mit Hilfe der sozialen Medien. Die Eltern und die Schwester von Lena beweisen eine enorme Vereinstreue. Sie sind in der Elternarbeit, der Organisation des Trainings-und Spielbetriebs eingebunden. Vater Silvio ist Trainer der Mendiger Jugend, Schwester Lisa, Lehramtsstudentin, ist als Spielerin und als Jugendtrainerin im VC Mendig tätig. Und ein Novum gibt es auch noch: Lisa und ihre Mutter Anne spielten zusammen in der Verbandsliga.
Der alte, weise Mann des Volleyballs in Mendig kann von Bell aus voller Stolz auf seinen Verein blicken. Es ist nicht mehr der Reiz der Bundesliga, aber was im Verein an Jugendarbeit mit einer Lena Schultze als Höhepunkt geschieht, es ist überragend. Und es hätte auch gewundert, wenn man vor knapp mehr als zehn Jahren das Kapitel Volleyball in Mendig einfach sang -und klanglos geschlossen hätte. Solange Kurt Müller lebt, wird Volleyball in Mendig immer besonders sein.