Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal vor fast genau zweieinhalb Jahren hat unvorstellbares menschliches Leid hervorgerufen und immensen wirtschaftlichen Schaden verursacht. Die Erosion der Böden durch den starken Dauerregen und die schiere Gewalt der durch das Tal strömenden Wassermassen haben gewaltige Mengen an Böden und Bauschutt im Tal verschleppt. Diese, aber auch insbesondere beim anstehenden Wiederaufbau anfallenden Massen gilt es beim Wiederaufbau der Infrastruktur ökologisch und ökonomisch sinnvoll zu verwerten. Hierfür bedarf es eines intelligenten Boden- und Bauschuttmanagements“, sagte Klimaschutzministerin Katrin Eder anlässlich der Übergabe eines Förderbescheids über 251.300 Euro an den Landkreis Ahrweiler.
Da der Anfall der Boden- und Bauschuttmassen und deren Bedarf zum Wiederaufbau zeitlich meist nicht aufeinandertreffen, muss vermieden werden, dass verwertbarer Boden- und Bauschutt außerhalb des Tals teuer entsorgt wird und später beim Wiederaufbau der Infrastruktur wieder große Bodenmassen von außerhalb in das Tal geliefert werden müssen. In einem ersten Schritt hat der Abfallwirtschaftsbetrieb der Kreisverwaltung Ahrweiler für seine Internetseite eine Börse entwickeln lassen, auf der Baustoffe, Böden und Gebrauchtwaren angeboten und gesucht werden können. Hier sollen vor allem Privatpersonen eine Hilfestellung erhalten.
Clusterinitiative zur Planung der Böden
Diese Börse ist jedoch ungeeignet für größere Maßnahmen wie insbesondere Infrastrukturprojekte. Über eine Boden- und Bauschuttbörse im gewerblichen Bereich müssen verbindliche Angaben abgegeben und abgefragt werden können. Beispielsweise muss sie Auskunft darüber geben, wo wann welche Bodenqualitäten (Bodenart, Bodenmechanik, Schadstoffgehalte usw.) in welcher Menge lagern. Auch bedarf es umfangreicher Vernetzung und Schulung der Akteure im Tal, um ein effektives verwerten der Boden- und Bauschuttmassen im Tal sicherzustellen. Ein mit dieser Leistung beauftragtes ortsansässiges Ingenieurbüro hat Anfang 2023 mit der Strategieentwicklung der Clusterinitiative begonnen und Mitte 2023 ein Präsenzbüro in Bad Neuenahr-Ahrweiler eingerichtet.
Ich habe die Hoffnung, dass diese professionell aufgebaute Boden- und Bauschuttplattform nicht nur im Ahrtal und nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern in ganz Deutschland bei privaten und kommunalen Akteuren wie auch bei der Bauwirtschaft großes Interesse findet und bundesweit Angebot und Nachfrage von Boden und Bauschutt auf einer Plattform zusammenführt.
- Katrin Eder
Für große Infrastrukturprojekte – zum Beispiel der Ahrtalbahn – bedarf es großer Bodenmengen geeigneter Qualität, die über längere Zeit „gesammelt“ werden müssen. Deshalb müssen auch entsprechend große Zwischenlagerflächen eingerichtet werden. Diese gilt es hochwassersicher, nahe am Ausbau-/Einbauort und ausreichend groß sowie abgesichert gegen wilde Ablagerungen anzulegen.
Die bundespolitische Bedeutung der Ahr
„Die Ahr war einst aufgrund ihrer Artenvielfalt ein Vorzeigegewässer in Rheinland-Pfalz, vor alle bei den wirbellosen Tieren. Die Flut hat die Gewässerökologie stark beschädigt, vereinzelt wurden aber auch eigendynamische Entwicklungen wie Inselbildung, Laufverzweigungen und naturnahe Uferstrukturen ausgebildet. Heute haben wir eine der größten Gewässerbaustellen der Republik. Für eine erfolgreiche und nachhaltige Gewässerwiederherstellung brauchen wir externe Begleitung und Impulse aus der Wissenschaft. Das Land nimmt daher zusätzliche Haushaltsmittel in die Hand. Für die Laufzeit von 6 Jahren sind 1,8 Millionen Euro vorgesehen“, erläuterte die Ministerin.
Kooperationspartner sind neben der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, das Umwelt- und Klimaschutzministerium, der Landkreis Ahrweiler, die Universität Koblenz sowie die Hochschulen Koblenz und Trier samt dem Umwelt-Campus Birkenfeld.
Übergeordnetes Ziel ist es, den guten ökologischen Zustand der Gewässer wiederherzustellen und dabei auch gleichermaßen die Hochwasservorsorge zu berücksichtigen. Es soll keine Eins-zu-eins-Wiederherstellung erfolgen: Die Ahr und ihre Zuflüsse sollen künftig resilienter werden und für zukünftige Hochwasserereignisse aber auch für Zeiten mit Niedrigwasser besser gerüstet sein.
- Landrätin Cornelia Weigand
Insgesamt fünf Ingenieurbüros haben eine Bestandsaufnahme der Schäden und Defizite vorgenommen und rund 1000 Einzelmaßnahmen zur Gewässerwiederherstellung vorgesehen. Damit zählt die Gewässerwiederherstellung der Ahr zu den umfangreichsten Gewässerwiederherstellungsmaßnahmen in Deutschland. Im Rahmen der gemeinsamen Kooperation und wissenschaftlichen Begleitung der Gewässerwiederherstellung an der Ahr bietet sich die Chance, dass auch andere Regionen in Deutschland modellhaft von dem Großprojekt an der Ahr lernen können.
Langfristiger Hochwasserschutz als Ziel
„Auch bei der Gewässerwiederherstellung Ahr bleibt der Schutz der Menschen in unserem Tal oberstes Gebot. Deshalb muss die Ahr künftig in ihrem gesamten Verlauf so gestaltet werden, dass ein hundertjährliches Hochwasser (HQ100) möglichst schadlos bis zur Mündung durchgeleitet werden kann“, erklärte Guido Orthen, Bürgermeister der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Am Ende muss eine dem Hochwasserschutz dienende und ökologisch intakte Wiederherstellung der Ahr stehen.
- Guido Orthen
Projektkoordinator Prof. Stefan Stoll erklärte: „Wir beziehen in unseren Analysen auch die Veränderungen durch den Klimawandel mit ein, denn die Ahr soll nicht nur in einen guten ökologischen Zustand zurückversetzt werden, sondern gleichzeitig auch fit für die Zukunft gemacht werden.“
Der Professor für Interdisziplinären Umweltschutz am Umwelt-Campus Birkenfeld, der zur Hochschule Trier gehört, betonte die überregional Bedeutung: „Das Projekt wird nicht nur der Ahr zugutekommen, sondern es ist so angelegt, dass die Erkenntnisse übertragbar sind und auch im Gewässermanagement in anderen Flüssen in Rheinland-Pfalz angewendet werden können.“