Ein Interview mit Reiner Plehwe, Bereichsleiter in der Behinderten-Werkstatt Koblenz

Koblenz |

Sie ist mehr als nur der Arbeitsplatz für behinderte Menschen, die Rhein-Mosel-Werkstatt mit Sitz in Koblenz. Gerade jetzt in der Zeit der Pandemie liegt der Ansatz darin, unter schwierigen Bedingungen den behinderten Menschen eine weitgehende Normalität zu bieten. Eine große Herausforderung ist das, aber sie kann wie bei der Rhein-Mosel Werkstatt gelingen. Für die Bereiche Bildung und Rehabilitation ist Reiner  Plehwe verantwortlich. Der Krufter ist seit vielen Jahren auch im Sport der geistig behinderten Menschen ein wichtiger und unverzichtbarer Aktivposten. Akutuell4u sprach mit ihm.

A4u: Wie viele Menschen werden an welchen Standorten durch die Werkstatt betreut?

Reiner Plehwe:Insgesamt betreuen wir aktuell ca. 920 Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen im Kontext Arbeit in unseren Einrichtungen. Konkret 330 in Koblenz,80 in Lützel,140 in Weißenthurm,290 in Kastellaun und 80 in Simmern.  Darüber hinaus betreiben wir noch das Blindenwerk in Koblenz, die Tagesstätte in Simmern und den Integrationsbetrieb Polytec-Integrative in Weißenthurm.

A4u: Worin liegen die größten Probleme und Herausforderungen, die aus der Pandemie für Ihre Arbeit entstehen?

Reiner Plehwe: Im Grunde haben wir drei große Herausforderungen in diesen Tagen. Neben der Vorhaltung von Arbeitsplätzen, die den behinderungsbedingten Einschränkungen der Menschen entsprechen, ist vor allem die Persönlichkeitsförderung der Menschen unser Hauptauftrag an uns.  Dafür haben wir ein System geschaffen, bestehend aus Unterrichten, Qualifzierungsmaßnahmen, Ausflügen, Veranstaltungen, Gottesdiensten, Sport-  und Gesundheitsförderung. Dieses System beruht auf Gemeinsamkeit, Begegnung, auf intensivem menschlichem Kontakt.  Dieser „Mehrwert“ der Werkstatt ist im Moment durch die pandemiebedingten Vorgaben stark eingeschränkt.  Die Herausforderung besteht jeden Tag darin, trotz der Einschränkungen Wege zu finden, den Menschen trotzdem ein Stück Normalität und Arbeitszufriedenheit zu ermöglichen, die 8-Stunden Werkstatt-Alltag zu etwas besonderem zu machen. Das löst unsere Betriebsgemeinschaft an allen Standorten hervorragend, im Grunde ist das eine verschworene Gemeinschaft, die der Situation erfolgreich trotzt.
Eine große organisatorische Herausforderung ist natürlich die Umsetzung  Sicherheitsvorgaben umzusetzen. Hierfür haben wir  umfangreiche Hygienekonzepte entwickelt und mit den Gesundheitsämtern abgestimmt. Sie werden auch ständig angepasst. Darüber hinaus haben wir die Menschen mit Behinderungen  geschult, um sie an  eine veränderte Normalität zu gewöhnen. Das fängt bei der morgendlichen Busfahrt an, Fiebermessung beim Eintritt,  geht bei den Abstandsregelungen in den Gruppen weiter, Mittagessengestaltung, Hygiene – und Desinfektionsmaßnahmen, Arbeitsplatzgestaltung mit Plexiglasscheiben, arbeiten in Kohorten etc. Auch die „heiligen Räume“ wie Sporthalle, Schulräume, Lager wurden in dem Zusammenhang zu Arbeitseinheiten umfunktioniert, damit die Sicherheit der Menschen gewahrt  ist.
Die dritte Herausforderung ist die Arbeit an sich. Wir haben zwar treue, loyale Kunden, aber auch die haben es schwer. Zahlreiche Aufträge sind erstmal weggebrochen, da müssen wir im Moment sehen, das wir weiterhin gute, behindertengerechte Arbeit in die Werkstatt bekommen. Die Menschen wollen arbeiten. Viele auch in Heimarbeit, weil sie als Risikogruppe den Besuch in der Werkstatt nicht wahrnehmen., bzw. alte Eltern haben. Hierfür haben wir einen Hol- und Bringdienst eingerichtet.
Es ist mir aber wichtig zu betonen, dass all diese Herausforderungen von den Menschen mit Behinderung ohne Meckern und mit einer hohen Disziplin sowie vorbildlichem Engagement angenommen werden. Sie stellen sich tapfer der neuen Normalität.

A4u: Wird es aus dieser Zeit auch  Erfahrungen und Werte geben, die der Arbeit der Werkstatt später einmal dienen werden?

Reiner Plehwe: Ja, unbedingt, aufgrund der Leitbilder unserer Gesellschafter (Caritas, Evangelischer Kirchenkreis, Lebenshilfe) gab es seit  jeher eine sehr werteorientierte Ausrichtung in der Rhein-Mosel-Werkstatt. Diese ist durch die Pandemie noch verstärkt worden. Die gesamte Betriebsgemeinschaft ist   durch die sechswöchige Schließung noch deutlicher dafür sensibilisiert worden,  wie wertvoll es ist arbeiten gehen zu dürfen.Auch die persönliche Kommunikation unter den Menschen wird in diesen unwirklichen Zeiten sehr viel bewusster wahrgenommen und auch in kommenden Monaten in unserer Planung stärker akzentuiert.
Aktuell stellen wir uns die Frage, wie können wir das Nikolausfest, die Adventszeit und schließlich auch die Weihnachtsfeier würdevoll gestalten, wenn das im bisherigen Rahmen nicht möglich ist.  Wir werden das sehr klein, sehr stimmungsvoll und sehr persönlich machen. Unsere Sportlehrer konzipieren gerade die Angebote fürs kommende Jahr um. Es wird  mehr Outdoor – und Gesundheitsangebote  geben.

Einen guten Einblick in die Arbeit der Werkstatt gibt die Zeitschrift "Blickpunkt" der Rhein-Mosel-Werkstatt in ihrer neueseten Ausgabe unter https://www.yumpu.com/de/document/read/64630084/rmw-blickpunkt-01-2020. Weitere Informationen finden sich auch auf der Web-Site https://rmw-koblenz.de