Politiker, egal auf welcher Ebene, haben es nicht einfach. Viele, auch im kommunalen Bereich, sind Anfeindungen im Netz, körperlichen Angriffen und verbalen Beleidigungen ausgesetzt. Es gibt Dörfer, in denen sich keine Person gefunden hat, um Bürgermeister zu werden. Keine Frau, kein Mann. Es ist nicht die Fülle von Arbeiten oder die Zunahme an Bürokratie allein, die abhält; Ehrenämter wie diese finden keinen Respekt, vor allem nicht bei denen, die noch nie ein Ehrenamt hatten.

Koblenz |

Was sich in Koblenz knapp zwei Wochen vor den Wahlen am 9. Juni ereignete, ist mit Hass allein nicht zu beschreiben. Für die Freien Wähler in Koblenz kandidierte Marlon Reinhardt, Sinto, Musiker, Sohn von Django Reinhardt, Weltmeister im Kickboxen, verheiratet, ein Sohn. Marlon wurde in Koblenz geboren, in der Goldgrube wuchs er auf. Und dort gab es auch ein Plakat mit ihm. Unter „Freie Wähler“ gab es Marlons Bild mit der Unterzeile „Marlon Reinhardt für Koblenz“. Ausgerechnet in der Goldgrube, konkret in der Bogenstraße, dort man die Reinhardts kennt, die sich seit vielen Jahren für die soziale und gesellschaftliche Integration der Sinti und Roma einsetzen; ausgerechnet hier wurde das Plakat mit Marlon Reinhardt ein Opfer unfassbarer Schäbigkeit. Die Augen Marlons wurden ausgestochen und der Schriftzug „Ab in die Gaskammer mit allen Zigeunern inkl. Django und dem Rest des Zigeunerabschaums“ wurde auf das Plakat geschrieben.

Er könne damit umgehen, aber dass man seinen Vater auch noch hineinzieht, das will Marlon nicht verstehen. Die Polizei leitete ein Verfahren wegen Volksverhetzung ein. Django Reinhardt nennt das Geschehene Antiziganismus, womit man die rassistische Diskriminierung von Sinti und Roma bezeichnet.

Verfolgung kennen die Koblenzer Sinti und Roma. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden Hunderte aus der Koblenzer Region in das Konzentrationslager Ravensbrück und später nach Auschwitz gebracht. Auch aus der Familie Reinhardt wurden einige ermordet. Marlons Opa Daweli, der vor einigen Jahren in Koblenz starb, ein großer Musiker seiner Zeit, kam mit zehn Jahren nach Ravensbrück. Der Einmarsch der Alliierten rettete ihm das Leben. Daweli Reinhardt, in Wiesbaden geboren, blieb in Koblenz. Vor allem sein Sohn Django wurde zum Brückenbauer zwischen Deutschland und den Sinti und Roma.

Auch sein Sohn Marlon mit seiner Familie wird bleiben. Er ist Deutscher und Sinto. Die erbärmliche Tat vor den Wahlen 2024 wird ihn eher stark machen und der Zuspruch, den er danach erhalten hat, ist ihm Inspiration und wird ihm Kraft geben, seinen Weg von Integration weiterzugehen. Die Reinhardts mussten manches durchstehen, es eint sie.