Ich weiß, was du letzten Winter getan hast
Ein dummer Streich endet in einer Tragödie, in dessen Folge zwei Zwillingsschwestern spurlos verschwinden und für tot erklärt werden. Ein Jahr später trifft sich die achtköpfige Teenie-Clique am Ort des Geschehens im Blackrock Mountain wieder und folgt damit der Einladung des Bruders, der ein schönes Wochenende mit seinen Freunden verbringen und damit auch die Ereignisse des vergangenen Jahres verarbeiten möchte.
Doch es kommt anders: Ein ausgebüchster Killer scheint es auf die Teenager abgesehen zu haben und nach anfänglichen Psychospielchen lassen erste dramatische Verfolgungsjagden mit der maskierten Gestalt nicht lange auf sich warten. Aber er ist nicht die einzige Gefahr, die in dem Anwesen und den umliegenden Wäldern in dem schneebedeckten Gebirge lauern…
Originalgetreues Remake
Das Remake von Until Dawn bewegt sich nicht nur in Bezug auf Story, Figuren und Ereignisse sehr nah am Original von 2015, sondern setzt auch bei den Spielmechaniken auf die gleiche Mischung aus Erkundung auf linearen Pfaden, eingestreute Reaktionstests und Dialogoptionen, mit denen man nicht nur das Verhältnis der Figuren untereinander beeinflussen, sondern auch die Geschichte verändern kann. Dazu greifen die Entwickler die Theorie des Schmetterlingseffekts auf, die besagt, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado am anderen Ende der Welt auslösen könnte. Ganz so krasse Auswirkungen haben die Entscheidungen hier jedoch nicht und sowohl die möglichen Verzweigungen innerhalb der Geschichte als auch die Wechselwirkungen halten sich in Grenzen – was man spätestens dann realisiert, wenn man einen weiteren Durchlauf wagt.
Die größten Auswirkungen spürt man ohne Zweifel dann, wenn mal wieder einer der Protagonisten auf grausame Art das Zeitliche segnet – manchmal reicht tatsächlich nur eine falsche Entscheidung und ein falscher Knopfdruck aus, um ihr Schicksal zu besiegeln. Aufgrund der automatischen Speicherpunkte ist es in der Regel nicht möglich, einfach einen alten Spielstand zu laden und einen neuen Versuch zu wagen. Wenn eine Figur stirbt, dann ist und bleibt sie tot! Entsprechend gibt es verschiedene Endsequenzen und im besten Fall ist es tatsächlich möglich, dass die gesamte Truppe die Horror-Nacht übersteht und im Morgengrauen gerettet wird. Bis dahin muss man allerdings nicht nur schwere Entscheidungen und Reaktionstests meistern, sondern auch die zahlreichen eingetreuten Schockmomente überstehen, die zwar über weite Strecken einfach nur billig, aber gleichzeitig erschreckend effektiv sind. Fies: In den Unterhaltungen mit dem Psychiater, der zwischen den Kapiteln Fragen stellt und für eine gewisse Meta-Ebene sorgt, fließen die Antworten teilweise in den Spielverlauf ein – allerdings nicht so stark wie damals beim großartigen Silent Hill: Shattered Memories. Wer also z.B. angibt, sich vor Clowns zu fürchten, wird irgendwann mit einer Clownsmaske erschreckt. Wie im Original gewähren auch hier Totems den kurzen Blick in eine mögliche Zukunft, wenn man sie findet und in einem Minispiel richtig positioniert, das mit der Zeit sehr redundant wird. Fast schon interessanter sind da andere Sammelobjekte wie Dokumente, die mit ihren Info-Häppchen zum Verständnis der Handlung beitragen, die mit einigen gelungenen Überraschungen und Wendungen überzeugen kann.
Technisches Upgrade
Inhaltlich unterscheidet sich das Remake kaum vom Original, abgesehen von ein paar neu aufgenommenen Dialogzeilen oder dem neu arrangierten Soundtrack, der zwar sogar mit neuen Kompositionen aufwarten kann, aber das Erlebnis nicht auf ein neues Niveau hebt. Das sieht mit Blick auf die Grafik anders aus: Vor allem den aufwendig gestalteten Figurenmodellen sieht man die Frischzellenkur sehr deutlich an, allen voran bei den Gesichtern bekannter Schauspieler wie Hayden Panettiere („Heroes“) in der Rolle der Sam oder Oscar-Preisträger Rami Malek („Bohemian Rhapsodie“) als Josh. Allerdings sorgen die mitunter übertriebene Mimik und seltsame Bewegungsanimationen immer noch dafür, dass das Uncanny-Valley-Effekt deutlich in Erscheinung tritt. Die abwechslungsreichen Schauplätze wie verschneite Wälder, eine Irrenanstalt oder eine alte Mine werden allerdings klasse in Szene gesetzt und überzeugen sowohl mit Details als auch einer atmosphärischen Beleuchtung, mit der die Gruselstimmung prima eingefangen wird.
Damit sorgt der neue technologische Unterbau mit der Unreal Engine 5 durchaus für einen spürbaren Fortschritt, aber zwischendurch auch immer wieder für Probleme – vor allem im Qualitätsmodus treten im späteren Spielverlauf häufiger Einbrüche bei der Bildrate auf. Nervig zudem, dass man das Lauftempo der Figuren nicht jederzeit auf Knopfdruck beschleunigen darf, sondern nur dann, wenn das Spiel es in bestimmten Situationen erlaubt. Denn leider bewegt man sich meist im vorgeschriebenen Schneckentempo durch die Gegend. Und dann wäre da auch noch der eine oder andere Bug, darunter fehlende Lippenanimationen in Dialogen oder z.T. falsche Angaben, in welche Richtung man die Analogsticks beim Öffnen von Türen oder dem Drücken von Schaltern bewegen soll.
Fazit:
Man kann sich bei all den starken Lizenzen und Marken im Besitz von PlayStation zurecht fragen, warum man sich bei Sony dazu entschieden hat, ausgerechnet Until Dawn ein Remake zu spendieren – zumal man das Original von der PS4 dank Abwärtskompatibilität problemlos auf der aktuellen PS5 zocken kann. Aber sei es drum: Ballistic Moon hat ordentliche Arbeit gemeistert, diesen noch relativ jungen Klassiker technisch aufzupeppen. Besonders die Figurenmodelle profitieren massiv von der Überarbeitung, auch wenn einige Gesichtsanimationen den berühmten Uncanny-Valley-Effekt immer noch nicht abschütteln können und die Unreal Engine 5 in manchen Situationen mit sichbaren Performance-Problemen zu kämpfen hat. Vor allem in der deutschen Synchronfassung, die sich irgendwo zwischen gut und wirklich schlimm einpendelt, kommen außerdem die mitunter peinlichen Fremdschäm-Dialoge zwischen den Teenies ganz besonders zur Geltung – ich empfehle daher, lieber im englischen Original zu spielen.