Post aus dem Jenseits
Als James Sunderland einen Brief von seiner Frau Mary erhält, die um ein gemeinsames Treffen in Silent Hill bittet, macht er sich umgehend und voller Hoffnung auf den Weg in die beschauliche Kleinstadt im US-Bundesstaat Maine – Stephen King lässt grüßen. Denn die Sache ist die: Eigentlich ist Mary bereits seit drei Jahren tot...
Dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, wird bereits nach dem kleinen Waldspaziergang bei der Ankunft in Silent Hill klar: Zum einen scheint die Stadt verlassen zu sein – auf den Straßen und in Gebäuden finden sich zwar Notizen und Hinweise, aber keine Menschenseele. Zum anderen liegt ein dichter Nebel über der ganzen Stadt und verleiht ihr ein ziemlich ausladendes, fast schon melancholisches und trauriges Ambiente. Anders gesagt: Es ist kein Ort, an dem man unbedingt seinen Urlaub verbringen möchte!
Surreale Monster und Rätsel
Während der Erkundung der nebeligen Straßenzüge und Gebäude lässt die erste unheimliche Begegnung nicht lange auf sich warten: In Silent Hill bekommt man es vor allem mit grotesk gestalteten Kreaturen zu tun, die zwar mitunter noch menschliche Züge besitzen, aber sich durch ein surreales Design auszeichnen, das im Zusammenspiel mit den beunruhigenden Geräuschen durchaus verstörend wirken kann. Gegen Attacken setzt man sich zunächst mit einem Holzbrett zur Wehr, darf später aber auch auf Schusswaffen zurückgreifen. Da die Munition aber arg begrenzt ist und sich die Monster gerne ruckartig bewegen, sind gut abgestimmte Hiebe meist die bessere Wahl, sofern man nicht die Beine in die Hand nehmen und einfach davon laufen oder vorsichtig um die Bedrohungen herumschleichen kann. Wie im Original wird die Präsenz von Feinden durch das Rauschen des Radios angedeutet, das man recht früh im Spiel findet. Cool: Auf der PS5 knistert es auch durch den Lautsprecher des DualSense-Controllers, was das Gefühl der Bedrohung nochmals verstärkt. Überhaupt ist die gesamte Klangkulisse schlichtweg exzellent und sorgt sowohl mit fiesen Soundeffekten als auch der außergewöhnlichen Musik von Akira Yamaoka für angenehmes Unbehagen.
Darüber hinaus hat James im Remake einen neuen Trick auf Lager und kann sich jetzt auf Knopfdruck schnell nach hinten bewegen und dadurch mit dem richtigen Timing den Angriffen ausweichen. Das verleiht den Kämpfen hier zwar etwas mehr Dynamik als im steifen Original mit seinem stupiden Draufgekloppe, aber wirklich packen können mich die Kämpfe leider immer noch nicht. Die mitunter surrealen Rätsel bereiten da schon mehr Freude, auch wenn es im Prinzip meist nur darum geht, Objekte zu finden, sie zu kombinieren oder in einer richtigen Reihenfolge anzuordnen. Schön: Der Schwierigkeitsgrad für Rätsel und Kämpfe lässt sich in den Optionen separat festlegen. Zudem wurden Fundstellen und Mechaniken nicht 1:1 aus dem Original übernommen, so dass selbst Experten des Klassikers erneut gefordert werden. Gespeichert wird zwar immer wieder automatisch, aber wer auf Nummer Sicher gehen will, kann auch immer wieder manuelle Spielstände anlegen, muss dafür aber an die entsprechenden Speicherpunkt zurückkehren.
Gute Orientierungshilfe
Zwar besteht das Hauptziel darin, Zugang zu neuen Arealen zu erhalten, aber manchmal muss man auch zu bereits bekannten Abschnitten zurückkehren. Dabei erweist sich die Karte als willkommene Hilfe, denn Sackgassen werden genauso automatisch markiert wie wichtige Orte oder Rätsel. Nicht zuletzt hilft die Karte bei der Orientierung, denn in den vernebelten Straßenzügen oder dunklen Gängen verliert man zwischendurch schnell den Überblick, wo man sich gerade befindet und welchen Ort man am besten als nächstes aufsuchen sollte.
Lichten sich Nebel und Dunkelheit, wird man außerdem feststellen, mit wie viel Liebe zum Detail vor allem die Inneneinrichtungen der einzelnen Räume und Gebäude gestaltet wurden. Fehlende Charakteranimationen bei Interaktionen wie dem Öffnen von Schubladen und die stark schwankende Bildrate im Qualitätsmodus der Grafikoptionen trüben dagegen den positiven Eindruck bei der Technik. Nervig zudem, dass man die Spielfigur oft sehr genau vor Objekten positionieren muss, bevor man mit ihnen interagieren kann – schon The Medium litt unter dem gleichen Problem.
Zweischneidige Modernisierung
Wurde im Original durch die vorgegebenen Perspektiven noch mit dramatischen Einstellungen gespielt und das Horror-Abenteuer mit packenden Kamerafahrten entsprechend cineastisch inszeniert, legt Bloober die Kontrolle der Kamera in die Hände des Spielers, genau wie es z.B. auch Capcom bei den Remakes zu Resident Evil 2 und 3 getan hat. Damit fühlt sich Silent Hill 2 nicht nur umgehend vertraut und modern an, sondern bietet im Prinzip immer den perfekten Überblick. Doch leider beraubt man sich dadurch naturgemäß so mancher Spannungsmomente, die das Original noch ausgezeichnet hatten.
Der Umfang ist ebenfalls ein zweischneidiges Schwert: Zwar ist es schön, dass es jetzt acht statt fünf verschiedene Endsequenzen gibt, aber da sich die Spielzeit im Vergleich zur Vorlage fast verdoppelt, wird der Fortschritt irgendwann zäh, weil man nur noch selten frische Impulse bieten kann. Zudem nehmen ausgerechnet die mauen Kämpfe einen zu großen Raum ein, während der subtile Psycho-Horror dadurch zunehmend in den Hintergrund rückt. Manchmal kann es sinnvoll sein, nicht auf Biegen und Brechen den Umfang erweitern zu wollen – vor allem, wenn der ursprüngliche Kern der Spielerfahrung darunter leidet.
Fazit:
Ich bin eigentlich kein so großer Fan vom Bloober Team, denn in den letzten Jahren konnten sich die Polen nach ihrem kreativen Überraschungs-Hit Layers of Fear höchstens technisch, aber leider nicht mehr inhaltlich steigern und langweilten mich mit dem ständigen Recycling der ewig gleichen Psychotricks. Entsprechend konnten mir weder Lizenzspiele wie Blair Witch noch das parallele Abenteuer in den zwei Welten von The Medium begeistern. Mit dem Silent Hill 2 Remake ist dem Studio allerdings eine richtig gute Neuauflage des Horror-Klassikers von Konami gelungen, der für mich immer noch den Höhepunkt innerhalb der Reihe markiert! Das Team findet hier eine gute Mischung aus Treue zum Original, technischen Upgrades sowie inhaltlichen und spielmechanischen Neuerungen. Zwar wirkt die Spielzeit teilweise etwas zu sehr gestreckt, die Bildrate geht bei vielen Gegnern schon mal in die Knie und die Kämpfe sind mir auf Dauer zu eintönig. Aber die beklemmende Atmosphäre, die grandiose Klangkulisse und das gut durchdachte Leveldesign machen Silent Hill 2 für mich trotzdem zu einem großartigen und intensiven Horror-Erlebnis. Happy Halloween!