Survival-Horror im Weltraum: The Callisto Protocol präsentiert sich als geistiger Nachfolger von Dead Space. Aber reicht es an das große Vorbild heran, das Ende Januar als Remake neu aufgelegt wird?

 Name: The Callisto Protocol
Genre: Survival Horror
Entwickler: Striking Distance Studios
Publisher: Krafton
Plattform: PC, PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One, Xbox Series X|S (getestet)
Veröffentlichung: 02.12.2022
Preis: zwischen 48 und 80 Euro

Während das Remake von Dead Space noch bis Ende Januar auf sich warten lässt, preschen die Striking Distance Studios mit The Callisto Protocol vor und setzen dabei ebenfalls auf blutigen Survival-Horror in einem Science-Fiction-Szenario. Die auffälligen Parallelen zum EA-Klassiker kommen nicht von ungefähr: Das Team um Glen Schofield zeichnete damals für Dead Space verantwortlich und macht jetzt dort weiter, wo man damals aufgehört hat. Mit Erfolg?

Ein ungewöhnlicher Knast-Ausbruch

Jacob Lee und seine Crew haben für ihren interplanetaren Transportflug keinen guten Tag erwischt: Zuerst wird das Raumschiff von Terroristen-Piraten attackiert, die es auf eine ganz bestimmte Ladung an Bord angesehen haben. Nach dem anschließenden Absturz auf dem Saturn-Mond Callisto währt die Freude über das Überleben nur kurz, denn die herbei geeilten Wachen leisten keine Hilfe, sondern buchten Lee und die übrigen Crew-Mitglieder ohne nähere Begründung in die Gefängnisanstalt Black Iron ein.

Viel Zeit hinter Gittern muss man als Jacob allerdings nicht verbringen: Während sich im Komplex eine mysteriöse Krankheit ausbreitet und Insassen samt Wärtern in beißwütige Monster verwandelt, nutzt der Neu-Häftling dank Unterstützung die Gunst der Stunde, um sich einen Fluchtweg durch das apokalyptische Chaos zu bahnen. In den Auseinandersetzungen mit den teil grotesk gestalteten Kreaturen steht zunächst der Nahkampf mit Fäusten, Metallstangen oder Elekro-Knüppeln im Fokus, später gesellen sich auch Schusswaffen dazu. Da die Munition aber schon alleine durch den extrem limitierten Platz im Inventar künstlich beschränkt wird, liegt der Schwerpunkt gerade im Vergleich zu Dead Space hier deutlich stärker auf den Kloppereien in kurzer Distanz. Etwas Eingewöhnung erfordert das Kampfsystem: Mit entsprechenden Bewegungen des Analogsticks weicht Jacob den Angriffen nach links und rechts aus oder kann sie sogar auf Knopfdruck im richtigen Moment abblocken. Selbstverständlich teilt man auch selbst kräftig aus und darf später sogar Nahkampf und Schusswaffen fließend kombinieren, um die Kreaturen zu zerstückeln. Und auch wenn ich persönlich kein Fan von der zu starken Ausrichtung auf den Nahkampf bin, fühlt er sich dennoch erfreulich wuchtig und damit sehr befriedigend an. 

Die Extraportion „Grip“

Ein cooles Extra ist außerdem der futuristische GRP-Handschuh mit den typischen Eigenschaften einer Gravity Gun. Soll heißen: Wie Kollege Isaac Clarke aus Dead Space kann man bei Aktivierung neben Gegenständen auch Gegner auf Knopfdruck an sich heranziehen und anschließend wieder wegstoßen. Dabei lädt die Gestaltung der Umgebung mit ihren spitzen Stachelwänden, Ventilatoren und mächtigen Maschinerien regelrecht dazu ein, die Gegner auf diese verspielte Art und Weise zu eliminieren. Dabei sollte man aber immer im Hinterkopf haben, dass jeder GRP-Einsatz Energie verbraucht, die nicht unendlich zur Verfügung steht und sich regenerieren muss. Allerdings lässt sich an Upgrade-Terminals nicht nur der Handschuh, sondern auch das restliche Equipment stufenweise verbessern. Die dafür nötigen Callisto-Credits findet man neben Kisten und Schränken auch bei Gegnern, nachdem man die Leichen nochmal mit einem letzten Stampfer bearbeitet. Diese Mechanik war schon in Dead Space ein überflüssiger Murks, der hier nicht besser wird…

Daneben gibt es eine weitere Gemeinsamkeit: Die Gesundheit wird in bester Survival-Horror-Tradition nicht automatisch regeneriert, sondern erfordert das Aufsammeln oder die Injektion von Heilungs-Gegenständen. Dabei erfordert es das kleine Inventar viel zu häufig, dass man wieder zurücklaufen muss und solche wichtigen Verbrauchsgegenstände erst dann wieder einsammeln kann, wenn es wieder genug Platz gibt. Nervig ist zudem die Sache mit den Audio-Logs: Im Vergleich zu Dead Space, BioShock und vielen anderen Spielen ist es hier nicht möglich, den Sprechern und ihren wichtigen Hintergrundinformationen zu lauschen, während man sich weiter durch die engen und düsteren Gänge bewegt, die nur selten alternative Routen gewähren. Stattdessen muss man gelangweilt im Menü verweilen, wenn man sich die Aufnahmen anhören möchte.      

Dichte Atmosphäre, aber (zu) wenig Gruselstimmung

Ein großes Plus von Callisto Protocol ist aber die audiovisuelle Präsentation: Die Umgebung wirkt zwar auf Dauer etwas zu eintönig, aber begeistert mit einer großartigen Lichtstimmung und feinen Partikel- und Nebeleffekten. Und auch die Figuren überzeugen hinsichtlich Detailgrad und ihrer lebensechten Mimik. Falls einem die Gesichter irgendwie bekannt vorkommen sollten: Die Hauptrolle wird von US-Schauspieler Josh Duhamel gespielt, der u.a. bei Kinofilmen wie Transformers 3: Die dunkle Seite des Mondes oder auch Call of Duty: WWII mitgewirkt hat. Ihm zur Seite steht u.a. Karen Fukuhara, die man vor allem als Kimiko aus der durchgeknallten Superhelden-Serie The Boys kennt. Dazu gesellt sich eine starke Soundabmischung, angefangen bei panischen Schreien über fiese Grundlaute bis hin zum eher subtilen Knarzen, mit dem die Horror-Stimmung auch zu den Gehörgängen getragen wird. Zwar überzeugt Callisto Protocol durch eine düstere und dichte Atmosphäre, die vor allem in den ersten Stunden für eine gewisse Anspannung sorgt. Aber so richtig gruselig wird es trotz eingestreuter (und meist billiger) Schockmomente nur selten, denn dafür bestimmt zu sehr das blutige Action-Gemetzel den Spielablauf und nach etwa sieben Stunden läuft bereits der Abspann über den Bildschirm. Die Qualität von Dead Space wird zwar hier nicht erreicht, aber trotzdem ist The Callisto Protocol unterm Strich ein ordentlicher Survival-Horror, mit dem man trotz ein paar Design-Schnitzern die Wartezeit auf die Rückkehr von Isaac Clarke gut überbrücken kann.

 Worum geht’s?

Bei The Callisto Protocol handelt es sich um Survival-Horror in einem Science-Fiction-Szenario. In der Rolle des Piloten Jacob Lee muss man mit der Hilfe anderer Insassen aus einer Gefängnisanstalt auf dem Jupiter-Mond Callisto entkommen. Dort hat sich eine mysteriöse Krankheit ausgebreitet, die das Personal und Häftlinge in blutrünstige Monster verwandelt hat. Mit einem Arsenal aus Nahkampf-Utensilien, Schusswaffen und einem Hightech-Handschuh tritt man auf dem Fluchtweg einer Überzahl an Feinden gegenüber, löst kleine Umgebungsrätsel und verbessert seine Ausrüstung an Upgrad-Terminals.

The Callisto Protocol ist geeignet für Spieler, die...

• vor allem auf intensives Nahkampf-Gemetzel stehen
• einen geistigen Nachfolger von Dead Space suchen
• ein audiovisuell beeindruckendes Horror-Spektakel erleben wollen


The Callisto Protocol ist weniger geeignet für Spieler, die...

• übertrieben inszenierte Gewaltszenen als abstoßend empfinden  
• sich wirklich gruseln wollen  
• einen großen Umfang und Bewegungsfreiheit erwarten

Alternativen: Dead Space, Alien Isolation, Resident Evil 5