13 Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden des Autors Alan Wake geht es zurück nach Bright Falls: Liefert Remedy Entertainment mit Alan Wake II den erhofften Horror-Hit ab?

 Name: Alan Wake II
Genre: Survival-Horror
Entwickler: Remedy Entertainment
Publisher: Epic Games
Plattform: PlayStation 5 (getestet), Xbox Series X|S, PC (Epic Store)
Veröffentlichung: 27.10.2023
Preis: ab 49,99 Euro

Lange haben die Fans von Alan Wake auf eine Fortsetzung warten müssen, aber seit dem 27, Oktober laden Remedy und Spieldesigner Sam Lake auf PC und Konsolen zu einer Rückkehr nach Bright Falls ein, um den verschollenen Autor aus seiner Gefangenschaft im dunklen Ort zu befreien. Ob dabei Gänsehaut und Schnappatmung zu ständigen Begleitern werden, verrät der Test pünktlich zum Gruselfest Halloween.

I want to Believe

13 Jahre nach den Ereignissen von Alan Wake und dem mysteriösen Verschwinden des Bestseller-Autors rückt die idyllische US-Kleinstadt Bright Falls erneut in den Fokus, nachdem ein brutaler Ritualmord die Gemeinde aufschreckt. Und nicht nur die: Im Einstieg wird man selbst aktiv Zeuge und Opfer zugleich, nachdem man mit einer unbekannten Gestalt splitterfasernackt aus den Tiefen des Sees hervor steigt, um kurze Zeit später von maskierten Gestalten gejagt und schließlich bestialisch ermordet zu werden. Schon in diesen ersten Minuten ist Alan Wake II düsterer als es sein Vorgänger jemals war und plötzliche Schreckmomente stellen das Nervenkostüm ebenso auf eine erste Probe wie die erschreckend packende Klangkulisse, die mit ihren subtilen Soundeffekten, einer dynamischen Abmischung und spannungsgeladenen Musik entscheidend zur überwiegend beklemmenden Atmosphäre beiträgt.

Zunächst schlüpft man allerdings nicht in die Rolle des verschollenen Autors, sondern der FBI-Agentin Saga Anderson, die zusammen mit ihrem Partner Alex Casey den Ritualmord untersucht und schon bald einem geheimnisvollen Kult auf die Spur kommt. Tatsächlich steht zunächst viel klassische Ermittlungsarbeit im Mittelpunk: Leichen und die Umgebung werden auf Hinweise untersucht und sowohl Erkenntnisse als auch Schlussfolgerungen an einer Falltafel oder bei Profiling im Kopf zusammengefasst. Man fühlt sich dabei stellenweise als wäre man mit Fox Mulder und Dana Scully unterwegs, um X-Akten zu füllen. Und bei einem Spiel wie Alan Wake II, das sich so gerne als „Meta“ anpreist und dabei auch Creative Director Sam Lake als Bindeglied zwischen Realität und Fiktion nutzt, stellt man sogar automatisch den Bezug zwischen Saga Anderson und Scully-Darstellerin Gillian Anderson her und glaubt nicht, dass der Nachname der FBI-Agentin im Spiel aus Zufall gewählt wurde.  

Wenn Horror-Geschichten zur Realität werden

Genau wie bei Akte X oder anderen Mystery-Serien wie Twin Peaks lässt natürlich auch hier das Übernatürliche nicht lange auf sich warten: Verstreute Manuskripte einen Horror-Romans manifestieren sich plötzlich wieder in der Realität oder deuten das bevorstehende Unheil schon an, während mörderische Schattenwesen die Jagd auf Saga eröffnen. Zwar kann man sich mit einem zunehmend schlagkräftigen Arsenal wie Pistole, Schrotfline oder Armbrust zur Wehr setzen, die effektivste Waffe bleibt aber das Licht in Form einer Taschenlampe oder Straßenlaternen, um sich das Böse vom Leib zu halten. Allerdings ist die Munition ganz im Sinne des Survival Horrors knapp bemessen – vor allem, wenn man keine Zeit in die ausgiebige Erkundung investieren möchte, bei der man auch diverse Perks und mitunter kreativ designte Umgebungsrätsel finden kann. Gehen die Kugeln zur Neige, muss man sich mit gut getimten Ausweichmanövern oder als letztes Mittel mit Nahkampfangriffen durchschlagen. Leider ist die Shooter-Mechanik nicht sonderlich gut gelungen – von den Machern hinter Max Payne hätte ich schon etwas mehr erwartet. Doch dafür glänzen die Finnen in Sachen Inszenierung, Story-Telling und Technik: Obwohl die grobe Schattendarstellung manchmal zu wünschen übrig lässt, protzt Alan Wake II mit fantastischen Lichstimmungen und einem Detailgrad, den man bisher nur selten auf den aktuellen Konsolen zu Gesicht bekommen hat. Vor allem Schauplätze wie Bright Falls oder ein Viertel in New York sind eine wahre Augenweide, selbst wenn die starren NPCs den Eindruck schmälern und die Grafikqualität im alternativen Leistungsmodus etwas zurückgeschraubt wird. Aber auch wenn man mit dem Lichtkegel der Taschenlampe durch den dichten Wald wandert, dabei jedes kleine Knistern als potenzielle Bedrohung wahrnimmt und sich die innere Anspannung mit jedem weiteren Schritt steigert, ist das ein ähnlich intensives Erlebnis wie in manchen Folgen von Akte X – mit dem Unterschied, dass man hier gefühlt selbst mittendrin ist und nicht passiv als Zuschauer vor dem Bildschirm hockt, auch wenn Alan Wake II manchmal mehr an einen interaktiven Film als an ein Videospiel erinnert.

Zwei Protagonisten, eine Verbindung

Selbstverständlich darf man zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder in die Rolle von Alan Wake schlüpfen – und das nicht nur bei seinem kreativen Fluchtversuch aus dem dunklen Ort, sondern auch der Realität, in der er auf Saga trifft. Folgt die Kontrolle über die beiden Protagonisten in den ersten Kapiteln noch einer festgelegten Reihenfolge, darf man im späteren Verlauf des Horrortrips bei der Rückkehr in bestimmte Räume die Figuren jederzeit tauschen und sich aussuchen, welchen Handlungsstrang man weiterverfolgen möchte. Ohne zu viel verraten zu wollen, erlebt man  manche Überraschung und Wendungen – sei es im Rahmen der Handlung oder bei der Inszenierung. 

Eine gelungene Fortsetzung

Hat sich die lange Wartezeit auf den zweiten Teil von Alan Wake also ausgezahlt? Ich finde ja! Auch wenn vor allem die Shooter-Mechanik nicht ganz rund wirkt und es im Rahmen der Erkundung manchmal zu viel Leerlauf gibt, ist diese Fortsetzung ein Fest für Horror-Fans mit einem Faible für stimmungsvolle Kulissen, gut gesetzte Schreckmomente und eine packende Geschichte, die für meinen Geschmack mit ihren Meta-Abstechern aber manchmal etwas zu sehr übers Ziel hinausschießt. 2023 war ohne Zweifel ein starkes Jahr für Horrorspiele, angefangen bei der gelungenen Neuauflage von Dead Space bis hin zum kürzlich erschienenen Amnesia: The Bunker. Alan Wake II reiht sich da nahtlos ein und dürfte sogar unabhängig vom Genre einen der Höhepunkte für dieses generell fette Spielejahr markieren.

In diesem Sinne: Happy Halloween!         

 Worum geht’s?

In Alan Wake 2 kehrt man 13 Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers in das amerikanische Kleinstädtchen Bright Falls zurück und schlüpft dabei sowohl in die Rolle des verschollenen Autors Alan Wake als auch der FBI-Agentin Saga Anderson, um das Geheimnis hinter ihrer mysteriösen Verbindung und brutalen Ritualmorden zu ergründen. Geboten wird klassischer Survival-Horror mit wenig Munition, fiesen Schattenmonstern und Schreckmomenten, alles eingebettet in einer packenden Geschichte mit vielen überraschenden Wendungen.    
          

Alan Wake II ist geeignet für Spieler, die...

    • wissen wollen, wie sich die Story weiterentwickelt
    • eine düstere, mitunter verstörende Atmosphäre genießen
    • gerne als Ermittler agieren


Alan Wake II ist weniger geeignet für Spieler, die...

    • sehr schreckhaft sind
    • eine erstklassige Shooter-Mechanik erwarten
    • ihre Top-Spiele physisch besitzen wollen 

Alternativen: Amnesia: The Bunker, Dead Space, The Evil Within