2005 markierte eine Zäsur in der Geschichte von Resident Evil: Für den vierten Teil der beliebten Horror-Reihe verabschiedeten sich Capcom und Resi-Schöpfer Shinji Mikami von der angestaubten Formel rund um Zombies, die böse Umbrella Corporation und die behäbige Panzer-Steuerung. Stattdessen schlugen die Macher mit einem frischen Szenario, dem größeren Schwerpunkt auf Action und einer technisch beeindruckenden Grafikengine ein neues Kapitel auf. Zwar zeigten sich manch alteingesessenen Fans angesichts der mutigen Neuausrichtung enttäuscht, doch gilt Resident Evil 4 gemeinhin als Meisterwerk innerhalb des Survival Horrors und wurde mit Auszeichnungen überhäuft.
Starke Basis, starkes Remake
Mit Blick auf die Historie könnten die Voraussetzungen für ein gelungenes Remake also kaum besser sein, zumal Capcom bereits bei den Neuauflagen zu Resident Evil 2 und Resident Evil 3 ein gutes Händchen bewies, die Klassiker nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich ordentlich zu modernisieren.
Am grundlegenden Szenario ändert sich dagegen nichts: Wie im Original begibt man sich als Spezialagent Leon S. Kennedy im Auftrag des US-Präsidenten auf die Suche nach dessen vermisster Tochter Ashley. Diese wurde offenbar von einem mysteriösen Kult entführt und in eine entlegene Region von Europa verschleppt.
Agile Widersacher statt Untote
Nach dem Einstieg lässt der erste Feindkontakt nicht lange auf sich warten: Statt langsam umher schlurfender Zombies mit dem IQ eines Holzbretts muss sich Leon mit deutlich agileren und clevereren Widersachern auseinandersetzen, die von einem geheimnisvollen Parasiten befallen wurden. Sie weichen nicht nur Attacken aus, sondern greifen bei ihrer gnadenlosen Hetzjagd auch zu Messer, Beil sowie Mistgabel und können sogar Leitern errichten. Spätestens wenn der Kapuzenmann mit seiner ratternden Kettensäge auftaucht, sind Panik und Schnappatmung angesagt. Gleiches gilt für die herausfordernden Bosskämpfe gegen XL-Gegner, die immer wieder Höhepunkte innerhalb des actionreichen Horror-Trips markieren und sich beim Spielverlauf teilweise spürbar von der Originalvorlage unterscheiden.
Mehr Bewegungsfreiheit, besserer Nahkampf
Dort war es bekanntlich nicht möglich, sich mit der Spielfigur gleichzeitig zu bewegen und zu schießen – neben Kräutermischungen und dem begrenzten Inventar eines der wenigen klassischen Features, an denen Mikami auch bei der Neuausrichtung festhalten wollte. Puristen dürfen übrigens auch im Remake wieder auf die alte Steuerungsmethode zugreifen und ihren Spielstand manuell an Schreibmaschinen sichern.
Gleichzeitig wurden Mechaniken überarbeitet und modernisiert: Leon darf jetzt auf Wunsch auch in Bewegung schießen, sich mit freier Kamera einen optimalen Überblick verschaffen und neuerdings sogar versuchen, sich geduckt an Feinden vorbei zu schleichen oder sie mit einem Stealth-Kill von hinten auszuschalten. Darüber hinaus lässt sich dem Waffenarsenal außerdem eine Armbrust hinzufügen, falls man eine unauffällige Vorgehensweise bevorzugt – trotzdem lassen sich manche hektischen (und gekripteten) Kampf-Situationen nicht komplett vermeiden. Zelebrierte das Original noch den exzessiven Einsatz von Reaktionstests (QTRs / Quick Time Reactions) und Knopfgehämmer, wurde diese Elemente nahezu komplett aus dem Spiel entfernt und ersetzt. Neben Schreibmaschinen wird der Fortschritt jetzt außerdem an fairen Checkpunkten automatisch gesichert – so lässt sich der modernisierte Horror-Trip mit seiner Spielzeit von 15-20 Stunden auf Kosten der Spannung etwas lockerer angehen, obwohl der Schwierigkeitsgrad stellenweise schon auf der normalen Stufe relativ fordernd sein kann. Deutlich weniger frustrierend als im Original sind übrigens die Abschnitte geraten, in denen man Ashley beschützen muss: Sie rennt nicht länger planlos umher, gehorcht stattdessen einem rudimentären Befehlssystem und lässt sich nach Attacken auch wieder auf die Beine helfen anstatt sofort zu sterben. Darüber hinaus wurden die Passagen, in denen man Ashley selbst steuert, komplett überarbeitet und sorgen für die eine oder andere angenehme Überraschung.
Klinge statt Munitionsverschwendung
Eine besondere Rolle kommt im Remake dem Messer zu: Zum einen ermöglicht es neben dem Gebrauch als Stichwaffe auch Finishing-Moves für besagte Schleichangriffe oder Gegner, die am Boden liegen. Zum anderen hat man neuerdings die Möglichkeit, Angriffe mit vorgehaltenem Messer zu parieren. Dadurch entstehen zwar packende Nahkampf-Situationen, gleichzeitig wirkt Leon durch diese Fähigkeit etwas zu übermächtig, da er mit gutem Timing zusätzlich mit seinem Roundhouse-Kick und eher peinlich inszenierten Wrestling-Moves ordentlich austeilen kann. Doch Vorsicht: Die Messer nutzen sich mit jeder Verwendung ab, lassen sich zur Not aber auch wieder reparieren.
Ein Händler für alle Fälle
Und wo das? Natürlich beim Händler, auf den man wie schon im Original immer wieder trifft und der jetzt nicht nur eine neue Stimme, sondern auch ein paar zusätzliche Sprüche auf Lager hat – und dank der kompletten Lokalisierung sprechen er und andere Figuren neben dem englischen Original sogar erstmals qualitativ überzeugend auf Deutsch. Abseits der Reparaturen erhält man bei ihm u.a. diverse Waffen-Upgrades, nützliches Equipment wie Heilsprays oder sogar komplett neue Wummen, für die man ordentliche Summen auf den Tisch legen muss. Gut, dass man das nötige Geld nicht nur bei getöteten Gegnern oder Kisten findet, sondern auch manche gefundenen Gegenstände wie Juwelen beim Händler verkaufen kann, um den Kontostand zu verbessern.
Weniger schön: Mittlerweile hat Capcom mit dem Mercenaries-Update nicht nur einen neuen Zusatzmodus, sondern auch Mikrotransaktionen in Spiel eingebaut, mit denen man seine Waffen mit so genannten Upgrade-Tickets gegen echtes Geld verbessern darf. Jedes dieser insgesamt 23 Tickets schlägt mit 2,99 Euro zu Buche. Kein feiner Zug, dieses abstoßende, wenn auch optionale Feature nachträglich noch klammheimlich ins Spiel einzubauen, wie es mittlerweile leider auch andere große Publisher praktizieren.
Ich war allerdings schon im Original kein großer Fan vom Händler und dessen Funktion. Tatsächlich empfand ich den seltsamen Gesellen meist als Störfaktor und Immersions-Killer. Das wird hier zusätzlich durch kleine Bonus-Aufträge verstärkt, bei denen man z.B. blaue Medaillons suchen und zerstören, Ratten töten oder ein goldenes Ei finden muss. Mich reißen solche dämlichen Fleißaufgaben leider komplett aus dem atmosphärischen Setting raus und ich habe dadurch teilweise das unangenehme Gefühl, nur auf einem billigen Grusel-Rummelplatz unterwegs zu sein. Selbstverständlich sind diese Aufgaben genauso optional wie die Mikrotransaktionen, aber alleine ihre Existenz kann schon deplatziert wirken und sich negativ auf die Stimmung auswirken.
Überzeugende Modernisierung
Apropos Stimmung: Das audiovisuelle Upgrade für das Remake hat sich definitiv ausgezahlt und der Klassiker erstrahlt dank der potenten RE Engine in einem neuen Glanz mit Raytracing & Co, auch wenn Capcom nicht ganz das technische Niveau der Neuauflage von Dead Space erreicht – hier bremst vielleicht auch etwas der Umstand, dass das Remake neben den aktuellen Konsolen zusätzlich noch für die vorherige Generation entwickelt wurde. Zudem stolpert man zwischendurch über kleine KI-Aussetzer und entscheidet man sich für den Qualitätsmodus in den Grafikoptionen, wird die Action mitunter von kleinen Performance-Einbrüchen gebremst. Kenner des Originals werden außerdem einen Bosskampf und die Zusatzkapitel rund um Ada Wong vermissen. PlayStation-Nutzer dürfen sich allerdings auf die Einbindung von Gimmicks wie dem Controller-Lautsprecher samt haptischem Feedback und auf kommende VR-Inhalte für PSVR 2 freuen. Generell sollte man aber immer die Zäsur im Hinterkopf behalten, die Resident Evil 4 schon 2005 markierte: Statt beklemmender Gruselatmosphäre, die man z.B. noch im Remake von Resident Evil 2 vorfindet, wird hier merklich stärker auf Action mit Gegnern in Überzahl gesetzt, die von allen Seiten attackieren. Echter Gänsehaut-Horror kommt da nur selten auf.
Angesichts der gebotenen Qualität darf das nächste Remake in der Resident-Evil-Reihe trotzdem gerne folgen. Allerdings hoffe ich, dass Capcom nicht mit der Haupreihe weitermacht, die ab dem 5. Teil eher auf Koop sowie noch mehr Action setzte und im 6. Teil sogar einen qualitativen Absturz erlebte. Stattdessen wäre eine Neuauflage des Ablegers Code: Veronica ein Projekt, auf das sich viele Fans – mich eingeschlossen – sicher sehr freuen würden. Dann aber gerne ohne die nachträgliche Verseuchung durch Mikrotransaktionen.