Deutschland hat im Vergleich zu anderen Industrienationen einen sehr hohen Krankenstand. Das mag zum einen an der hohen physischen und psychischen Belastung liegen, zum anderen aber auch an einer zunehmend unkritischen Krankschreibung.

Anbetracht der Situation werden die Arbeitsgerichte zunehmend kritischer. Freunde der Sonne, so einfach wie in den letzten Jahren wird es nicht mehr. Vorsicht ist geboten.

Krankschreibung per Telefon oder Internet

Seit Dezember 2023 ist die Krankmeldung per Telefon dauerhaft eingeführt, vorausgesetzt, der Hausarzt kennt den Patienten. Letzteres wird zunehmend ignoriert. Im Netz bieten sich gerne völlig unbekannte Praxen für eine Krankmeldung über soziale Medien an.

Auch wenn man die Intention der überfüllten Praxen nachvollziehen kann, so steht die telefonische Krankschreibung eigentlich im diametralen Widerspruch zu der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie aus 2021 Nach § 2 der Richtlinie über Erstellung der Arbeitsunfähigkeit ist der Arzt verpflichtet, den Patienten physisch zu untersuchen und insbesondere durch eine arbeitsplatzbezogene Befragung sich eine Bild über die dienstliche Belastung machen. Hintergrund ist die Tatsache, dass krank nicht zwangsläufig arbeitsunfähig bedeutet.

Der gelbe Zettel und die Rechtsprechung

Früher war es gängige Praxis: Der Arbeitnehmer liefert den „gelben Zettel“ ab und die Arbeitsunfähigkeit war gesetzt. Heute gibt es nur die Option der Erkundigung bei der Krankenkasse, da alles elektronisch läuft. Krankheit war und ist einschließlich der Diagnose Privatsache. Aber:

In einem Urteil vom 05.09.21 hat das Bundesarbeitsgericht (5 AZR 149/21) die Spielregeln zugunsten der Arbeitgeber klarer definiert. Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, so begründet dieses in der Regel den Beweis für die Tatsache der arbeitsunfähigen Erkrankung. Ein solches Attest hat einen hohen Beweiswert, denn es ist der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, beruft er sich insbesondere darauf, der Arbeitnehmer habe den die Bescheinigung ausstellenden Arzt durch Simulation getäuscht oder der Arzt habe den Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verkannt. Dann muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegen und notfalls beweisen, um dadurch die Beweiskraft des Attestes zu erschüttern (so auch ArbG Koblenz, 13. Oktober 2020, 11 Ca 449/20). Das ist nicht leicht, aber machbar.

Wie die Konsequenzen aus einem erfolgreichen Infragestellen aussehen, erfahrt ihr nächste Woche. Fortsetzung folgt.

Der Autor ist Partner der Kanzlei Dittmann & Hartmann in Mayen