Die Befreiung des Konzentrationslager jährt sich zum 77. Mal - Eindrücke aus Buchenwald

Unser Redaktionsmitarbeiter Jonathan Sieben besuchte kürzlich das Konzentrationslager Buchenwald, das heute vor 77 Jahren befreit wurde. Seine Eindrücke, die ihn als jungen Menschen sehr betroffen gemacht haben, hat er für aktuell4u zusammengefasst.

Das mit am größten auf deutschem Boden stehenden KZ ist nicht nur befreit worden, sondern es kämpfte sich von innen mit frei. Für ihre Freiheit. Für ihr Leben. Für die Menschlichkeit.

Aufbau von Buchenwald

Das sogenannte “Schutzhaftlager”, wo ca. 266.000 Menschen zwischen Juli 1937 und April 1945 aus ganz Europa inhaftiert und ca. 56.000 ihr Leben verloren, nahm den größten Platz des Ettersberges ein. Auf dem Appellplatz mussten die Insassen mehrere Stunden morgens und abends ruhig und geordnet stehen, ob in tiefen Minusgraden oder heißen Sommertemperaturen. Eine unvorstellbare Qual, neben dem unmenschlichen Leben, eingepfercht wie Tiere auf engstem Raum, kraftlos, ausgehungert, entwürdigt im täglichen Kampf gegen die Angst des bevorstehenden Todes, welche die Menschen auszuhalten hatten.

Es gab einen Außenbereich und verschiedene Außenlager, wo die Menschen aus dem Konzentrationslager Arbeit unter schwersten und menschenunwürdigen Bedingungen verrichten mussten. Dabei nutzten einige Firmen aus der Umgebung die vorherrschende Situation gnadenlos aus.

Firmen aus Weimar und der Umgebung machten lukrative Geschäfte mit der SS und setzen die billigen Arbeitskräfte für ihre Zwecke ein. Durch die erheblich niedrigeren Kosten für die Firmen der Umgebung, und viele zusätzliche Gelder für die SS, wurde der Einsatz der Insassen als Arbeitskräfte unter deren Aufsicht zum guten Geschäft.

Die SS hatte südlich des (ca. 50 m) Schutzhaftlagers ihr “Übungslager”, wo die neuen Rekruten in Kasernen ausgebildet wurden. Während der Ausbildung lebten hochrangige verdiente SS-Offiziere in extra für sie zur Verfügung gestellten Villen. Zur Unterhaltung wurde ein Falkenhaus frühzeitig errichtet, es gab ein Kino, genauso wie einen kleinen Zoo. Letzterer stand knappe fünf Meter entfernt vom Drahtzaun des Schutzhaftlagers und diente als Erlebnis, falls die Familie am Wochenende ihren, bei der SS dienenden, Vater besuchten. Was die Insassen bei diesem Anblick denken mussten, ist wohl unvorstellbar. Gleichermaßen gilt dies, wenn die Häftlinge beim stündlichen Appell Stehen Richtung Eingangstor den Spruch "Jedem das Seine” lesen mussten. Ungreifbar. Unbeschreiblich. Unmenschlich.

“Man hat von allem nichts gewusst”

Die Bewohner von Weimar wurden Tage nach der Befreiung mit den Leichen Bergen im Konzentrationslager konfrontiert. Diese hatten die US-Truppen absichtlich zur Anschauung und als Beweis für die Menschen so gelassen, wie man diese vorgefunden hat. Die Mehrheit behauptete zu diesem Zeitpunkt und darüber hinaus, nie etwas von den Machenschaften, welche am Ettersberg vonstatten gegangen seien, gewusst zu haben. 

Täglich arbeiteten Bewohner aus Weimar neben den abgemagerten und dreckigen Häftlingen. Meistens arbeiteten sie Seite an Seite im Arbeitslager oder in Außenlagern. Zudem wurden sie in der ganzen Stadt, teilweise in der ganzen Region bei unterschiedlichen Aufträgen der verschiedensten Firmen eingesetzt. Dabei wurden sie zu jederzeit von SS-Offizieren bewacht und mussten beim Transport und Märschen eine lange Strecke hinter sich bringen, während alle Einwohner der Umgebung sie wahrnehmen konnten. Voraussichtlich nur nicht wollten.

Die Befreiung - von innen und außen

Die Amerikaner drangen immer weiter vor, was sowohl im als auch außerhalb des Schutzhaftlagers für eine gewisse Wirkung sorgen sollte. Wenige Tage vor dem Tag der Befreiung wurde eine Evakuierung in Richtung anderer Konzentrationslager, von Heinrich Himmler, dem Leiter der SS, beschlossen. Die Insassen wussten über die baldige Ankunft der Amerikaner bescheid. Deswegen wurde versucht so viel Zeit zu schinden wie möglich, Befehle verweigert, und weiterer möglicher Widerstand geplant.

Während der ganzen Jahre wurden immer wieder einzelne Teile aus den Außenlagern, Produktionsbereichen und dem Übungslager entwendet. Daraus konnten die Gefangenen neue Waffen bauen. Zudem wurden bei einem Bombenanschlag der Allierten auf das Konzentrationslager, bei welchem, wie durch ein Wunder, das Schutzhaftlager fast vollkommen unversehrt blieb, weitere Waffen entwendet.

Viele tausende Menschen mussten noch kurz vor der Befreiung zu den sogenannten “Todesmärschen” aufbrechen und starben bei diesen.

Die verbliebenen Insassen, welchen kurz zuvor von den heran nahenden amerikanischen Truppen zur Ruhe geraten wurde, bewaffneten sich am 11.4.1945, und nahmen bei der Ankunft der Amerikaner den Kampf gegen die restlichen Wachmannschaften auf. Somit fanden die Amerikaner befreite Wachtürme und gefesselte Wachmänner vor, nachdem die Häftlinge die verbliebenen SS Männer überwältigt hatten. Zwar wäre die Befreiung ohne die Ankunft der US-Soldaten nicht möglich gewesen, doch haben die Häftlinge, wie auch in den Wochen, Monaten und Jahren zuvor, für ihr Leben und die damit einhergehende Freiheit gekämpft. Und sie an diesem Tag zurückgewonnen.