Wie gehen Familien und Pflegepersonal auf einer Säuglingsstation mit Corona um? Eine Schwester verleiht einen Einblick.

Mayen |

Wie gehen Familien und Pflegepersonal auf einer Säuglingsstation mit Corona um? Eine Schwester verleiht einen Einblick:

Nach 30 Jahren in Kinderkrankenpflege ist es auch für mich eine völlig neue Situation und Erfahrung mit dem derzeitigen Covid-19-Virus auf unserer pädiatrischen Neugeborenenstation zu arbeiten. Ich bin selbst Mutter von zwei erwachsenen Jungs und mit Leib und Seele Kinderkrankenschwester. Allerdings stellt die Pandemie auch mich sowohl beruflich als auch privat, jeden Tag vor neue Herausforderungen. Zunächst muss ich kurz unsere Rahmenbedingungen erläutern, um verständlich zu machen, welche Einschnitte und Veränderungen Corona bei der Versorgung unserer kleinen Patienten, deren Eltern sowie Angehörigen mit sich bringt:

Unsere Patienten kommen in den Geburtskliniken in Köln und Umgebung zur Welt. Entweder erblicken sie zu früh, unreif oder krank das Licht der Welt. Folglich werden sie dann mit dem Baby-Rettungskrankenwagen zu uns in die Kinderklinik gebracht um dort behandelt zu werden. Dies ist für die Eltern schon im „Normalfall“ ein großes Trauma, da sie im Vorfeld mit so einem dramatischen „Entreißen“ und der Trennung des Kindes nicht gerechnet haben. Dies bedeutet unendlichen Schmerz, Sorgen und Angst um das neugeborene Leben. Speziell für eine Mutter, die extrem unter Hormonschwankungen steht, ist es eine enorme emotionale Belastung. Und das Ganze wird unter CoVid-Bedingungen noch mehr getriggert, da bereits in den Kreissälen strenge Hygienekonzepte herrschen und ggf. sogar keine Väter zu der Entbindung zugelassen sind und ihren Frauen nicht bei der Entbindung zur Seite stehen können! Kommt es dann zu Komplikationen, Ausnahmezuständen und Verlegung des Neugeborenen, ist es verständlicher Weise eine unaushaltbare Situation für die Eltern.

Was bedeutet das für uns examinierten Pfeger/innen in der Pädiatrie?

In erster Linie wird viel über die Besuchsregelung diskutiert, das nur die Eltern zum Kind dürfen und das auch nur abwechselnd. Oft ist es auch für uns sehr schwer dies strikt umzusetzen, da die Mutter in vielen Fällen nach der Entbindung einfach noch bettlägerig ist und somit nicht stabil genug für einen Taxitransport in unsere Klinik. Die Väter befinden sich dann in einer  Doppelbelastung, einerseits stets bei dem Baby sein zu wollen, als auch der Frau zur Genesung bei zu steuern. Oft sind sie dann auch „Muttermilchtaxi“ und pendeln mehrmals täglich zwischen den Kliniken hin und her. Viele versuchen uns dann zu erweichen oder gar auszuspielen, damit Oma/Opa, Tante/Onkel, Schwager/Schwägerin doch „nur einmal“ das Kind sehen können. Der „Prellbock“ für all den Unmut sind natürlich dann wir Pflegekräfte. Als Mutter kann ich sehr gut verstehen, dass die frischgebackenen Eltern sich sehr sorgen und sich teilweise auch große Vorwürfe machen nicht 24 Stunden lang beim Kind sein zu können. Diesen emotionalen Ballast können sie aber verantwortungsvoll in unsere Hände abgeben.

Unsere Erfahrungen seit dem beschränkten Besuchsverbot sind durchaus auch positiv, da die kleinen kranken Patienten doch auch ihre Ruhe und Zeit zur Genesung genießen, ohne das ständig freudig erregter wechselnder Verwandtschaftsbesuch auf sie einwirkt. Insgesamt hat der Corona Virus keinen großen negativen Einfluss auf unsere Arbeitsabläufe. Natürlich müssen wir uns extrem sensibilisieren was die Abstandsregelung anbelangt. Wickeln, füttern, kuscheln, Stillhilfe, Elternanleitung, Infusionanlagen etc. sind nun mal nicht mit dem vorgeschriebenen Abstand von 1,5 m möglich. Somit muss bei diesen wichtigen Tätigkeiten der Zeitaufwand runtergeschraubt und angepasst werden. Leider ist dies je nach dem individuellem Bedürfnis oder auch medizinischer Notwendigkeit nur selten umsetzbar. Das hat eine gewisse Unzufriedenheit beim Pflegepersonal zur Folge, da wir uns einerseits einer höheren Ansteckungsgefahr aussetzen und anderseits die Pflege nicht befriedigend und adäquat durchführbar ist.

Belastend ist es, wenn ein Kind noch in der Isolation liegt, so lange kein negativer Covidabstrich vorliegt. Erwachsene können in dieser Situation die Bettklingel nutzen. Säuglingen bleibt nur Schreien oder notfalls alarmiert auch die Monitorüberwachung, was nicht immer nur „Gutes“ bedeutet, sondern durchaus auch eine bedrohliche Situation sein kann. Sich dann als Pflegende/r schnell komplett mit vorgeschriebener „Verkittlung“ zu bekleiden bedeutet Stress und oftmals einen Zeitaufwand der dann wiederum an anderer Stelle fehlt. Für jedes mal eben "nur" den Schnuller geben ist dies schon eine wirkliche Herausforderung. Über die Bedingungen und welche körperliche Anstrengung/Herausforderung es ist mit Schutzbekleidung Pflege am Menschen zu betreiben sei an dieser Stelle auf die Medien zu verweisen!

Da ich eine sehr visuelle und empathische Kinderkrankenschwester und Mutter bin, mache ich mir sehr viele Gedanken welche Auswirkungen wohl unser tragen der Maske auf die Entwicklung unserer Nachkommen hat? Da wird heut zu Tage ein Kind geboren, welches als erstes nur in Augen vieler fremden Menschen sehen kann, da all unsere Münder ja bedeckt sein müssen. Es kann kein Lachen sehen. Vertrauen zu fassen und keine Angst zu bekommen stelle ich mir unter diesen Bedingungen sehr schwer und bedrohend vor, wenn man doch noch so gar keine Mimik kennt, keine Lebenserfahrungen mit Gesichtern sammeln konnte und besonders dann auch bei uns noch Leid, Schmerz und Trennung erfahren muss. Oft frage ich mich, ob dies Einfluss auf die Entwicklung, das Sozialverhalten und die Gefühlswelt unserer kleinen Erdbewohner hat? Zumindest können sie sich da auf uns verlassen! Wir versuchen ihnen durch sehr viel Feingefühl und Sensibilität fehlende Gesichtsausdrücke auf andere Art mitzuteilen und auszudrücken. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt. Da können FFP2 Masken schon mal bunt bemalt werden, man hört seine Kollegen beim bemalen im Nachbarzimmer öfter singen oder lauter lachen wenn sie aus den Masken ware Wunderwerke erschaffen.

Erwähnt wurden an dieser Stelle natürlich nicht die Rahmenbedingungen, die baulichen Missstände und der Umgang der Politik mit unserem Berufszweig. Diese Punkte würden noch mal Seiten füllen und bedürfen einer zwingenden zusätzlichen Diskussion. Außen vor lassen darf man sie allerdings, gerade während dieser schweren Zeit der Pandemie, auf gar keinen Fall! Mit Sicherheit gibt es auch sehr große Unterschiede und Diskrepanzen im Umgang mit dem Pflegepersonal. Nicht jeder Arbeitgeber und jede Klinik geht sorgfältig, achtsam, respektvoll, schützend und präventiv mit seinen Angestellten um. Am Ende des Tages ist und bleibt es immer noch ein sehr toller Beruf auch unter den momentan erschwerten Covidumständen.

So wie ein Künstler auf der Bühne vom Applaus der Zuschauer lebt, so leben wir Pflegekräfte emotional von der Dankbarkeit und Genesung unserer Patienten und deren Angehörigen.