Neuwied (dpa/lrs) - Notfallknöpfe, Security-Leute, Pfefferspray in der Schublade: In einigen rheinland-pfälzischen Verwaltungen rücken Sicherheitsmaßnahmen stärker in den Mittelpunkt - nicht zuletzt seit dem Angriff auf eine Polizeiwache in Linz. «Es passiert bei uns im Haus im Durchschnitt jede Woche mal, dass jemand übergriffig wird, eine Schere oder ein Messer oder sonst was zieht und die Kollegen auch anpackt», sagt der Landrat des Landkreises Neuwied, Achim Hallerbach (CDU).
Der Vorfall in Linz habe viele Mitarbeitende zusätzlich verängstigt. Deshalb gebe es in den Verwaltungsgebäuden nun Zugangs- und Taschenkontrollen mit Handscanner sowie mehr Sicherheitsleute. «Das Ergebnis ist, dass der ein oder andere sein Taschenmesser, sein Cuttermesser oder seine Schere abgeben muss, die er in der Tasche hat.» Hinzu kämen weitere Maßnahmen, etwa Selbstverteidigungskurse oder Druckknöpfe unter den Schreibtischen.
Unterschiedliche Herangehensweisen
Sicherheitsmaßnahmen beschäftigen aber nicht nur den Landkreis Neuwied. «Auch bei uns in Landau ist das Thema im Sommer leider akut geworden», hieß es seitens der Stadt. Damals habe eine Person mehrmals Angestellte bedroht. Mittlerweile sei ein Sicherheitsdienst im Einsatz, weitere Maßnahmen seien geplant. Im Mainzer Bürgeramt kontrolliert ein Sicherheitsteam hingegen bereits seit Längerem unter anderem die Terminbestätigungen, wie es hieß. Akut sei die Sicherheit dort jedoch kein Thema.
Aggressives Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern hat auch die Stadt Kaiserslautern nach eigenen Angaben schon gelegentlich wahrgenommen. Man verzichte jedoch bewusst auf zusätzliches Sicherheitspersonal, da man sich als «offenes Haus für die Kommunikation» verstehe. Allerdings seien nicht mehr alle Zugänge des Rathauses und der Außenstellen uneingeschränkt geöffnet.
Sicherheit für Mitarbeitende, Abschottung gegen Bürger?
Der Umgangston werde insgesamt rauer, beobachtet auch das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebunds Rheinland-Pfalz, Moritz Petry. Beleidigende E-Mails und Anrufe stünden für Verwaltungsmitarbeitende längst an der Tagesordnung. Zugangs- und Taschenkontrollen seien bislang aber die Ausnahme: Die Verwaltungen seien bemüht, für die Bürgerinnen und Bürger offenzubleiben.
«Natürlich muss man punktuell auch Sicherheitsvorkehrungen erhöhen», sagt Petry - etwa mit Blick auf die Ausländerbehörden bei den Kreisverwaltungen wie in Neuwied. Dort sind viele Gespräche laut Landrat Hallerbach angespannt, weil es oft um Existenzfragen geht. «Aber der klassische Bürgerkontakt muss sich eigentlich noch stärker öffnen. Da müssen beide Seiten zu einem angenehmen Ton zurückkommen», so Petry.
Bei einer Gefährdung der Mitarbeitenden sei aber eine Grenze erreicht. Dass so etwas in der Kreisverwaltung Neuwied häufiger passiert, war für Achim Hallerbach Grund genug für mehr Schutzmaßnahmen. Die Mitarbeitenden habe das beruhigt, und auch bei den Besucherinnen und Besuchern finden die Maßnahmen ihm zufolge eine hohe Akzeptanz. «Die Verwaltung ist weiterhin offen bei uns. Da gibt es keine Beschränkung.»
Sicherheitsmaßnahmen können Spannungen erhöhen
Sicherheitsleute vor der Tür oder Taschenkontrollen sieht der Sozialpsychologe Ulrich Wagner allerdings kritisch. Denn solche Maßnahmen könnten dazu führen, dass sich die Mauer zwischen der Behörde und den Bürgerinnen und Bürgern weiter aufbaut. Das könne nicht nur dafür sorgen, dass Verwaltungen unzugänglicher werden: «Wenn Sicherheitskräfte in Bereichen auftauchen, wo wir sie nicht gewohnt sind, kann das das Gefühl der Unsicherheit erhöhen. Es signalisiert: Hier ist Gefahr in Vollzug», erklärt Wagner.
Menschen in Uniform könnten etwa signalisieren, dass es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kommen könnte, und so die Konfliktbereitschaft erhöhen. Für manche Gruppen seien solche Maßnahmen zudem eine stärkere Einschränkung als für andere: «Menschen, die auf der Flucht gewesen sind, haben vielleicht sehr schlimme Erfahrungen mit Behörden gemacht», sagt Wagner. Tauchen dann Uniformierte auf, könne das den Grundstein für eine Konfrontation legen.
Prävention und Trainings statt mehr Gefahrenabwehr
Sicherheitsmaßnahmen seien in manchen Bereichen notwendig, so Wagner. Eine reine Gefahrenabwehr - also Maßnahmen, die Bedrohungen unmittelbar vor dem Ort des Geschehens abwenden sollen - reichen ihm zufolge jedoch nicht aus: «Was wir tatsächlich brauchen, ist Prävention.» Es fehle insbesondere an Projekten und Partizipationsmöglichkeiten für junge Männer. Weil Behörden manchmal auch schlechte Nachrichten überbringen müssten, sollten Mitarbeitende außerdem in die Lage versetzt werden, solche Entscheidungen angemessen zu kommunizieren.
Auch Moritz Petry fordert, dass mehr Ressourcen in deren Schulung fließen. Gebraucht würden gut ausgebildete, empathische Verwaltungsmitarbeitende, die mit verschiedenen Menschen und Konfliktsituationen umgehen könnten. «Das ist für mich der einzige Weg, der machbar ist: Man muss Emotionen aushalten, man muss sich zurücknehmen können», sagt Petry. Der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern werde zwingend gebraucht: «Da können wir uns nicht abschotten.»