In ländlichen Regionen wirkt sich der demografische und soziale Wandel besonders stark auf kleine Gemeinden aus: Abwanderung, steigendes Durchschnittsalter, Verlust von Infrastrukturen und sozialem Zusammenhalt, funktionale und bauliche Defizite in den Ortskernen sowie Leerstände sind die Folge. Um die aktuellen Entwicklungen nachzuvollziehen und zu verstehen sowie auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet zu sein, führte der Landkreis Mayen-Koblenz gemeinsam mit der Hochschule Koblenz ein Pilotprojekt am Beispiel der Gemeinde Nachtsheim sowie der Stadt Bendorf durch. Dabei war es das primäre Ziel, auszuloten, welche Themen für einen Ort wirklich relevant und zukunftsweisend sind. Das Projekt ist nun abgeschlossen und verspricht neue Impulse für die Entwicklung ländlicher Regionen.
„Das Projekt wurde mittels einer Fokusanalyse durchgeführt. Sie ist eine stark praxisorientierte Untersuchung zur Ortsentwicklung und hilft Zukunftsthemen und Ziele zu definieren und daraus Strategien abzuleiten“, erklärt Professor Peter Thomé von der Hochschule Koblenz, Inhaber der Innovationsprofessur „Strategien ländlicher Räume“.
Der zuletzt durchgeführte Schritt des Projektes bestand darin, dass Studenten der Fachrichtungen Architektur, Bauingenieurwesen und Sozialwissenschaften Projekt- und Seminararbeiten erarbeiteten, welche die Potentiale der zuvor durchgeführten Fokusanalyse aufgriffen und praxisnah weiterentwickelten. Dazu wurde in Nachtsheim angedacht, eine ortsbildprägende Hofanlage umzubauen und zum altersgerechten Wohnen inklusive Betreuung zu nutzen. Ein weiteres Thema war die Idee eines Mehrfunktionenhauses, das zum Beispiel Dorfladen, Arztpraxis und Vereinsräume innehat.
In Bendorf wurde der Schwerpunkt auf eine Neukonzeptionierung des „Alten Kinos“ gelegt und die beispielhafte und kreative Weiterentwicklung des innerstädtischen Blockbereichs zwischen Hauptstraße, Bachstraße, Erlenmeyerstraße und Luisenstraße betrachtet. Die beiden Kommunen wurden gemeinsam mit der Hochschule ausgesucht. Nachtsheim steht repräsentativ für den ländlich und Bendorf für den städtisch geprägten Raum entlang der Rheinschiene. Beide Regionen haben unterschiedliche Herausforderungen zu bewältigen. So stehen kleinere Gemeinden im ländlich geprägten Raum im ständigen Wettbewerb mit den Ballungsgebieten. Sie müssen sich als attraktiver Standort zum Leben und Arbeiten präsentieren. Dagegen kommt Klein- und Mittelstädten wie Bendorf die Aufgabe zu, als Stabilisatoren in den Regionen zu wirken. Zudem gilt es gerade in diesem Raum, den sozialen Zusammenhalt innerhalb der Stadtgesellschaft zu stärken. „Dadurch, dass beide Regionen beleuchtet wurden, sind viele Erkenntnisse auf vergleichbar strukturierte Kommunen im Landkreis übertragbar“, sagt Alois Astor, Leiter der Dorferneuerung.
Zu Beginn des Projektes wurden statistische Daten ausgewertet, Kartenmaterial analysiert und Ortsbegehungen durchgeführt. Um konkrete Stärken einer Gemeinde zu identifizieren und mögliche Potentiale zu entwickeln, wurden daraufhin Interviews mit sogenannten Schlüsselpersonen wie Bürgermeistern, Wehrleitern, Unternehmern und Verwaltungsmitarbeitern durchgeführt. Bei den Interviews standen vor allem die Themen Flächenpotenziale, Bauen und Sanieren, das soziale Miteinander, Nahversorgung sowie Infrastruktur im Fokus. Die gesammelten Daten sowie die Erkenntnisse aus den Gesprächen bildeten die Grundlage für den nächsten Schritt – die Beteiligung der übrigen Bevölkerung. „Persönliche Gespräche mit Menschen, die den Ort von Grund auf kennen, sind für den Prozess enorm wichtig und gewinnbringend“, sagt Professor Thomé.