Was der Nikolaus zur Kommunikation der Bundesregierung im Pandemiemanagement sagen würde.

Am 6. Dezember werden Kinder vom Nikolaus mit Geschenken für ihre guten Taten im vergangenen Jahr belohnt. Sein Begleiter Knecht Ruprecht bestraft die Kinder allerdings für deren schlechte Taten mit seiner Rute. Würde die Bundesregierung für ihre Kommunikation während der Pandemiebekämpfung eher beschenkt oder bestraft werden? Und wie sieht es mit der Gesellschaft aus?

Die Zeiten könnten leichter sein. Vor ungefähr einem Jahr wurde die Zulassung der ersten Impfstoffe gegen das Corona-Virus verkündet. Die Rettung schien nah und die Euphorie war groß. Doch bei einem Blick auf die aktuellen Zahlen, wirkt diese Rettung ferner als je zuvor. Anfang Dezember 2020 lag die Zahl der Neuinfektionen im 7-Tage-Schnitt knapp unter 20.000. Nun, zwölf Monate später, liegt der Durchschnitt bei knapp 60.000 Neuinfektionen pro Tag und ist damit dreimal so hoch. Wie konnte es soweit kommen?

In den vergangenen zwölf Monaten wurde viel ausprobiert. Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren, Schließungen und Laschets gut überlegter „Brücken-Lockdown“, formerly known as „Osterruhe“. Das alles hat, nach mehr als einem halben Jahr Einschränkungen zu einer Senkung der Infektionszahlen geführt oder wie die Bundesregierung sagen würde: „Nochmal zwei Wochen zusammenreißen.“ Bis die Impfungen in Schwung kamen, dauerte es eine Weile. Zuerst fehlte der Impfstoff, dann gab es Diskussionen um eben diesen. Wie gut ist AstraZeneca? Auch eine Namensänderung konnte das Image des Vakzins nicht aufpolieren.

Alle wollen BioNTech

Schnell entpuppte sich der Impfstoff der Firma BioNTech aus Mainz zum Liebling der Deutschen. Doch warum eigentlich? Die Unterschiede zwischen dem deutschen Vakzin und dem der Firma Moderna sind minimal. Jüngere Menschen, für die nicht jeder Impfstoff zugelassen wurde, mussten länger auf ihre Impfung warten, da das „gute“ deutsche Vakzin von BioNTech vom Egoismus der älteren Bevölkerung weggeimpft wurde. Dieser Patriotismus und Nationalstolz in Zeiten einer globalen Pandemie ist einfach nur absurd und zudem faktisch unbegründet. Hier hätte die Politik frühzeitig eingreifen und die Differenzierung der Impfstoffe verhindern müssen.

Freiheitsversprechen statt aufklärender Impfkampagne

Den Bürger*innen wurde ihre Freiheit, bei einer vollständigen Impfung, zurückversprochen. Dies führte zu einem fatalen Denkfehler vieler Menschen. Durch den vollständigen Impfschutz bestand aus ihrer Sicht keine Gefahr mehr vor dem Virus, was zu rücksichtslosem Verhalten führte. Viele verzichteten auf Abstand, Masken und ließen sich vor allem nicht mehr testen. Nun, im Winter, scheinen viele verwundert über zahlreiche Impfdurchbrüche. Dabei war von vornherein klar, dass eine Impfung keinen hundertprozentigen Schutz darstellt. Nur wurde dies den Bürger*innen zu wenig vermittelt. Stattdessen entstand folgender Trugschluss: Impfen gleich Freiheit, ohne Rücksicht auf Verluste. Nun wundern sich viele über die hohe Anzahl an Impfdurchbrüchen und den nachlassenden Impfschutz. Dabei war sich Medizin und Wissenschaft von vornherein darüber bewusst. Es wurde aber nicht genügend kommuniziert.

Der Herbst der fatalen Signale

Im September dieses Jahres, die Zahlen stiegen schon wieder an, wurden die Schnelltests kostenpflichtig. Das Signal: Ungeimpfte müssen für ihre Unverantwortlichkeit zahlen. Dadurch testeten sich Geimpfte aber noch weniger, was ebenfalls zu einer Unverantwortlichkeit ihrerseits führte und das Virus konnte sich demnach unbemerkt verbreiten. Statt sich zu hinterfragen, weshalb sich Ungeimpfte nicht impfen lassen, wurde weiter Druck ausgeübt. Druck wiederum führt zu Trotz, einem Treiber der Gesellschaft.

Hinzukommt das Verschlafen bei der Booster-Impfung. Schon zu Beginn des Jahres war klar, dass es eine Auffrischimpfung brauchen wird. Doch statt schon im Spätsommer eine große Kampagne für die Booster-Impfung zu starten, stehen wir nun erneut vor einem harten Winter, wo der Großteil der Bevölkerung seinen zuvor gewonnen Impfschutz zu verlieren droht. Aber im Spätsommer war der Politik der Wahlkampf und die eigenen Machtansprüche wichtiger als die Gesundheit der Bevölkerung.

Richtig war hingegen die Aufhebung der epidemischen Notlage im November. Nur der Name sorgt für Verwirrung. Vor allem, wenn zur gleichen Zeit in Köln tausende, Verzeihung für den Ausdruck, Vollidioten Karneval feiern und die Infektionszahlen in der Rheinmetropole nach oben treiben. Faktisch bedeutet dies jedoch nur, dass die Entscheidungskraft bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie nun wieder im Parlament liegt und nicht mehr alleine beim Gesundheitsminister und den Regierungschefs in Bund und Ländern. Nur die CDU/CSU vermittelte hier ein falsches Bild: Die Hetzjagd eines beleidigten Wahlverlierers, der die Aufhebung der epidemischen Notlage durch Gesundheitsminister Jens Spahn selbst auf den Weg gebracht hat.

Die Fehlerkette geht auch im Dezember weiter

Nun aber der nächste fatale Fehler: Geboosterte müssen sich nicht mehr testen lassen. Es ist genau derselbe Fehler, wie nach den ersten Impfungen im Frühjahr und im Sommer. Ja, Geboosterte genießen einen höheren Schutz als alle anderen, dennoch können auch sie sich infizieren und das Virus übertragen. Wieder erfolgt ein Freiheitsversprechen ohne vollständige Aufklärung. Daher ist diese Regelung, mit Verlaub, einfach nur dumm. Eine weitere, unbemerkte Ausbreitung des Virus droht, gerade in Anbetracht der neuen Omikron-Variante.

Und schließlich folgt der größte Fehler in der Kommunikation im Pandemiemanagement: Der Umgang mit den Ungeimpften. Statt auf die Sorgen und Ängste der Menschen einzugehen, wird weiter Druck ausgeübt. Und damit ist ausdrücklich nicht die Querdenker-Bewegung gemeint. Ein Großteil der zögernden Bevölkerung sind zum Beispiel Frauen im gebärfähigen Alter, die Angst vor Unfruchtbarkeit haben. Warum durften dann Gynäkologen lange Zeit nicht impfen? Zudem herrscht in bildungsschwachen Schichten und bei Migranten eine niedrige Impfquote. Warum wird hier die Aufklärung nicht vorangetrieben und Kampagnen in Leichter Sprache oder Fremdsprachen gestartet?

Am schlimmsten ist allerdings die Spaltung der Gesellschaft. Dabei geht es nicht darum, dass Ungeimpfte nach den neuen Bestimmungen mit der 2G-Regel zu gewissen Dingen keinen Zugang mehr erhalten und somit von der Gesellschaft ausgeschlossen werden sollen. Viel mehr dient dies zum Schutz der Ungeimpften, der in der Öffentlichkeit allerdings nicht so wahrgenommen wird. Auch hier ein Fehler in der Kommunikation. Stattdessen werden die Ungeimpften in der Wahrnehmung durch die Gesellschaft an den Pranger gestellt. Man kann damit argumentieren, dass es zur Verantwortung eines Bürgers gehört, sich impfen zu lassen, um zum Schutz der Bevölkerung beizutragen. Man kann aber auch damit argumentieren, dass man sich regelmäßig testen und weiterhin Abstand halten und Kontakte reduzieren muss. Und darauf verzichten nun mal viele Geimpfte.

Fazit: Viel Arbeit für Knecht Ruprecht

Unter dem Strich wird also deutlich, dass die Bundesregierung in der Kommunikation viele Fehler gemacht hat in den vergangenen zwölf Monaten. Die Ziele, wie zum Beispiel das Hochtreiben der Impfquote, waren meist richtig, die Mittel jedoch falsch. Allerdings sind sie nicht die einzigen, die in diesem Jahr Besuch von Knecht Ruprecht bekommen werden. Auch die Medien tragen eine große Schuld an der momentanen Situation, da sie immer nur Schlagzeilen titelten, um Leser*innen zu generieren, statt Hintergründe zu erläutern und somit eine Hetzjagd ins Leben gerufen haben, die eine Spaltung nicht mehr aufhalten lässt. Und schließlich gibt es noch einen Schuldigen: den Menschen an sich. Jede*r Bürger*in trägt durch sein Verhalten zur momentanen Situation bei. Es wird viel zu oft mit dem Finger auf andere gezeigt, statt vor der eigenen Tür zu kehren und auf seine Mitmenschen zu achten. Sowohl ungeimpfte, als auch geimpfte Personen agieren in vielerlei Hinsicht rücksichtslos und egoistisch. Nur durch eine Impfung hat man nicht genügend zur Pandemiebekämpfung beigetragen. Es muss auch weiterhin Rücksicht auf die Mitmenschen genommen werde. Wir werden diese Pandemie nicht in den Griff bekommen, wenn jeder nur an sich denkt. Wir müssen zusammenhalten. Dies betont auch Intensivpfleger Ricardo Lange:

„Geimpfte und Ungeimpfte werfen sich ihre Haltung gegenseitig vor, statt gemeinsam an einem Strang zu ziehen und diese beschissene Pandemie endlich zu überstehen.“

Diesen Satz sollte sich jeder zu Herzen nehmen! Deswegen verteilt der Nikolaus in diesem Jahr keine Geschenke. Um dies im nächsten Jahr zu verhindern müssen wir alle etwas tun. Testet euch regelmäßig, auch mit vollständigem Impfschutz, tragt eure Masken, haltet Abstand, vermeidet unnötige Kontakte, lasst euch über eine Impfung aufklären und gebt aufeinander acht. Und vor allem: Kehrt vor eurer eigenen Tür. Dann dürft ihr im nächsten Jahr auch wieder einen Stiefel vor eben jene stellen.