Wir sind auf dem Weg in die „Arena de la Chapelle“. Hier findet das Para-Badminton statt. Mittendrin ist einer, der ein Stück Behindertensportgeschichte geschrieben hat. Wojtek Czyz, in Polen geboren, in die Pfalz gekommen, nach einer Beinamputation mit einer Prothese Sport treibend, erringt er Anfang dieses Jahrhunderts vier Goldmedaillen für Deutschland in den Sprintdisziplinen, mit der Sprintstaffel und im Weitsprung. Wojtek ist einer der größten in der Welt dieses Sportes und hinaus in diese Welt zieht es ihn jetzt mit 44 ist er neuseeländischer Staatsbürger und startet für sein neues Heimatland im Badminton in Paris. Runde 1 übersteht er nicht, der Engländer Daniel Bethell, jünger und einfach Badmintonerfahrener, gewinnt mit 21:5 und 21:2. Und doch genießt Wojtek Czyz in vollen Zügen das Erlebnis Paralympics. Und Wojtek hat wie kein anderer Para-Teilnehmer einen Fan an seiner Seite, der einzigartiger nicht sein könnte. Jürgen Klopp ist in Paris, um seinen Freund Wojtek zu unterstützen. Vor Jahren haben sie sich kennengelernt, sich angefreundet und Kloppo ist das mindestens eine Reise nach Paris wert. Fast das ganze Spiel steht der Welttrainer auf seinem Platz, jubelt Wojtek Czyz zu, feuert ihn an, leidet bisweilen mit ihm und am Ende ist er der prominenteste Tröster dieser Paras. Wojtek Czyz und Jürgen Klopp, jeder für sich ein Stück Geschichte des Sportes.
Wir sind in der „South Paris Arena“, wo Tischtennis gespielt wird. Wir erleben Stephanie Grebe und Juliane Wolf ,das deutsche Doppel der Damen, bei seinem Finaleinzug und wir sehen Thomas Schmidberger und Valentin Baus fast parallel spielend und ebenfalls den Finaleinzug schaffend. Die Leistungen sind unfassbar in Anbetracht der Behinderungen. Arm- und Beinamputierte zeigen grandiosen Sport. Valentin Baus, den ich vor einigen Jahren kennenlernen durfte, der Sportler aus Bochum, der in Düsseldorf mit den weltbesten Tischtennisspielern von Borussia Düsseldorf trainiert, hatte 2021 bei den Paras in Tokio die Chinesen besiegt und Gold gewonnen. Einen Tag später verlieren unsere beiden Doppel im Finale gegen China. Aber sie haben Silber gewonnen.
Überwältigt vom ersten Tag bei den Paras von Paris steht nun die Stade de France an, die Leichtathletik. Mindestens 30 000 Zuschauer sind am frühen Morgen da. Sie erleben den Sieg der 35-jährigen Kugelstoßerin Raona Tlili aus Tunesien. Sie startet in der Klasse F 41 (Kleinwüchsige) und siegt mit 10,40 m vor der Athletin K. Khabakinova aus Usbekistan, die die Kugel auf 10,36 m stößt. Die Tunesierin ist danach nicht zu bremsen. Obwohl das Gefühl, eine Goldmedaille gewonnen zu haben, für sie alles andere als neu ist, denn bei den Spielen 2008 in Peking, 2012 in London, 2016 in Rio und 2021 in Tokio hat sie im Kugelstoßen und Diskuswerfen insgesamt siebenmal Gold und zweimal Silber gewonnen. In Paris freut sie sich dennoch wie ein kleines Mädchen. Sie rast durch das tobende Stadion und ist kaum von den Betreuern einzufangen. Bei der Siegerehrung und der tunesischen Hymne sieht man ihr den ganzen Stolz an, wieder einmal für Tunesien ganz oben zu stehen. In Tunesien ist sie ein Star, so wie Klopp in Liverpool oder Wojtek Czyz, als er 2004 in Athen den deutschen Behindertensport auf einen Schlag in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückte.
Paris und die Paras, das ist so einzigartig wie die Olympischen Spiele, die drei Wochen zuvor glanzvoll zu Ende gegangen waren. Paris war die richtige Stadt für die beiden großen Feste des Sportes. Eine Stadt inmitten einer lebendigen Demokratie, einer Gesellschaft, die die Idee von Olympia bejaht, die aus den Olympischen Spielen die schönsten, zusammen mit Sydney 2000, in der olympischen Geschichte machte und die in außergewöhnlichen Sportanlagen, einer historisch-faszinierenden Kulisse einer Weltmetropole und mit einem enthusiastischen Publikum dem Behindertensport eine Bühne bot: für Lebendigkeit und Inklusion, für einmalige Leistungen und für den Brückenschlag zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen. Die Stadt der Liebe hat enorm viel davon an ihre Besucher und die Sportler aus aller Welt zurückgegeben.