Es ist ein grauer Wintertag Anfang Dezember, leichter Schneefall trübt den Ausblick übers Mittelrheintal. Trotzdem ist Zootierarzt Daniel Waked gut gelaunt: „Heute bekommt unser Wisent-Jungbulle Homer endlich Gesellschaft. Eigentlich hätten wir bereits vor Monaten einen zweiten Wisent bekommen sollen, dieser Transport musste aufgrund auffälliger medizinischer Voruntersuchungen aber leider abgesagt werden", erzählt er.
Vom Ende von Homers Junggesellen-Dasein kann man aber nicht sprechen. „Wir haben uns für die Haltung einer Bachelorgruppe entschieden", erklärt Waked, „das heißt, eine nicht züchtende Gruppe von Tieren desselben Geschlechts. Das neue Wisent ist also ebenfalls ein Jungbulle." Der knapp eineinhalb Jahre alte ,lkost' wurde im Wildpark Saarbrücken geboren und ist nun seiner Geburtsherde entwachsen.
Wie bei den meisten Huftieren leben Wisente in Herden, die in der Regel aus Kühen und deren Kälbern bestehen. Ausgewachsene Bullen streifen als Einzelgänger umher und stoßen nur zur Paarungszeit zu den Herden. Junge Bullen verlassen in einem gewissen Alter ihre Geburtsherde und schließen sich dann oft zu Jungbullenherden zusammen — ganz ähnlich, wie wir es hier machen.
- Daniel Waked
Das Projekt, Wisente wieder anzusiedeln
Die Neuwieder Wisent-Gruppe, die auch vorerst bei der Größe von zwei Tieren bleiben soll, ist Bestandteil des Zuchtprogramms des European Bison Conservation Centres, welches die Zucht der Art koordiniert, die in den 1920er Jahren als ausgestorben galt. Durch koordinierte Zucht- und Auswilderungsprojekte ist es gelungen, das größte Landsäugetier Europas in mehreren osteuropäischen Ländern wieder in größeren Populationen anzusiedeln. Sogar im deutschen Sauerland gibt es eine kleine, wilde Herde von mittlerweile 25 Tieren.
Weitere Wiederansiedelungsprojekte sind geplant, unter anderem in Frankreich, den Niederlanden und Dänemark. „Bis es soweit ist und möglicherweise einer unserer Bullen für eine Auswilderungsgruppe ausgewählt wird, dauert es aber sicher noch eine Weile", sagt Daniel Waked. „Wir sind erstmal froh, dass die Zusammenführung von Homer und Ikost gut geklappt hat und sich die beiden gut verstehen und bei uns wohlfühlen." Und wenn doch irgendwann ein Wechsel ansteht? „Dann planen wir eben den nächsten Schwertransport", lacht der Kurator.