Ein Kommentar von Hans-Peter Schössler zum EM-Aus der Nationalmannschaft.

Löf. |

Ich habe zwei Tage gewartet, bevor ich über das Ausscheiden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der EM schreibe. Bei der Bundeswehr musste immer eine Nacht vor der Einreichung einer Beschwerde liegen.

Ich wundere mich über mich selbst, weil mir die Niederlage gegen England keine Schmerzen bereitet hat. Früher war ich bei solchen Spielen immer bis zur letzten Sekunde erregt und entsprechend bei Siegen jubilierend oder tief niedergeschlagen bei Niederlagen. Dieses Mal habe ich mich mit einer solchen Gelassenheit in mein Schicksal ergeben, so als hätte ich mich spätestens seit 2018, dem WM-Debakel in Russland, mit dem Gedanken angefreundet, dass unsere Mannschaft gegen Nordmazedonien zuhause verliert und erst recht gegen England im Wembley.  Also kein Grund, Trübsal zu blasen, sondern eher den Pfad der Realität in der Bewertung des vierfachen Fußball-Weltmeisters zu gehen.

Kein Grund zum Zynismus. Und Dank an Joachim Löw für viele große Fußballabende, vor allem die in Brasilien. Dass einer etwas zu lange macht, so wie Löw, das gibt es nicht nur im Fußball. Ein Freund hat mir gesagt, das Ausscheiden bei der EM passe zum Gesamtbild des DFB. Das ist Blödsinn. Der Fußball in Deutschland lebt. In unseren Vereinen wird eine großartige Arbeit geleistet. Das werden wir vor allem daran sehen, wie die Kinder und Jugendlichen nach der Pandemie wieder aufleben, weil sie wieder trainieren und spielen können.  Den Fußball kriegt man nicht kaputt, nur weil ein paar Funktionäre an seiner Spitze nur an Ämter und Kohle denken. Es gibt hunderttausende Frauen und Männer  in unserem Lande, die in den Vereinen das Ehrenamt hochhalten  und ihm mit ihrer Arbeit etwas Einzigartiges geben.

Auf Löw kommt Flick. Der hat bisher gezeigt, dass er nicht starr an dem Alten und Überholten  hängt. Er wird neue Gesichter aufbieten, mit denen wir Geduld haben sollten.  Aus jedem Tief sind wir eigentlich immer gut herausgekommen. Und dass auch in anderen Ländern ein guter Fußball gespielt wird und die Nachwuchsarbeit dort vermutlich besser ist als bei uns, dass wissen wir jetzt auch. Sicher können wir die teuerste Akademie beim DFB bauen, aber damit haben wir nicht automatisch die beste Fußballzukunft. Wir müssen wieder Leidenschaft und Liebe zum Fußball an die Stelle von Karrieren und viel Geld setzen.

Dass wir jetzt bei der EM ausgeschieden sind, ist keine Schande. Es hilft aber nur, wenn wir begreifen und einsehen, dass wir momentan nicht besser sind.