Der VC 77 Neuwied hat zuhause gegen den Tabellenführer der Volleyball-Bundesliga mit 3:0 verloren.

Neuwied |

„Stuttgarts schönster Sport“ heißt es doppelsinnig im Werbeslogan des deutschen Vizemeisters und Favoriten in der Partie am Samstagabend in der Rhein-Wied-Halle. Dass die Deichstadtvolleys sich optisch nicht verstecken müssen, war schon nach der Mannschaftsvorstellung klar: Auch sie dürfen sich um den Titel des schönsten Sports für Neuwied bewerben. Dass sie auch begeisternd spielen können, zeigten sie in den folgenden 73 Minuten. 

Dirk Groß gab zunächst Isabelle Marciniak im Zuspiel, Lexi Pollard auf der Diagonalposition, Alexis Conaway und Lauren Matis als Außen- und Annahmespielerinnen den Vorzug. Rachel Anderson und Haile Watson waren im Mittelblock gesetzt. Neuwied erzielte den ersten Punkt des Spiels durch eine Blockaktion Andersons, lag aber zur ersten technischen Auszeit mit 6:8 im Hintertreffen. Mehrere Dinge fielen auf: Groß hatte für die Auseinandersetzung mit dem gefürchteten großgewachsenen Block der Schwäbinnen seinen größeren Spielerinnen den Vorzug gegeben. Die sollten sein Vertrauen im Laufe der Partie rechtfertigen. Neuwied hatte offensichtlich nicht vor, sich mit der Opferrolle abzufinden und zeigte sich in Annahme und Abwehr gegenüber dem Debakel in Straubing deutlich verbessert. In dieser Spielphase kam zwar auf Neuwieder Seite kurz Hektik auf, Stuttgart konnte seinen Vorsprung ausbauen, so dass Dirk Groß seine beiden taktischen Auszeiten bei 6:10 und 7:13 nehmen musste. Neuwied aber resignierte nicht und kam oft mit Hinterfeldangriffen über Lauren Matis und überlegte Angriffe gegen den Block von Alexis Conaway zu Erfolgen. Als gegen Satzende ein Doppelwechsel (Halteman für Pollard, Kamarah für Marciniak) erfolgte, kam Neuwied noch einmal auf, Kamarah konnte sich noch auszeichnen, doch ging der Satz mit 25:19 nach Stuttgart. Fazit nach der ersten Runde: Stuttgart ist zwingender, Neuwied aber hält mit.

Bislang war man in Neuwied gewohnt, dass die Einheimischen nach einem guten Satz den nächsten unkonzentriert angehen, auch diesmal schien es wieder so zu kommen, zog doch Stuttgart zunächst über 3:8, 9:16 davon, doch konnte von einem Neuwieder Kollaps keine Rede sein: Es entwickelte sich ein Spiel auf einem Niveau, wie man es in Neuwied wohl selten gesehen hat und die Zuschauer aus Stuttgart wie der Deichstadt begeistert mitgehen ließ. Stuttgart kombinierte, oft über Lara Berger und Hester Jasper, Neuwied hielt dagegen und kam durch Kombinationen über Rachel Anderson und Lauren Matis zu Erfolgen. In der Crunchtime des Satzes kam die Deichstadtvolleys bis auf 2 Punkte heran. Jetzt keine Fehler zu machen, das hatte Stuttgart den unerfahreneren Neuwiederinnen auf jeden Fall voraus und gewannen schließlich mit 21:25. 

Zu einem klaren Vorsprung der einen oder anderen Mannschaft sollte es im 3. Durchgang nicht mehr kommen: Lauren Matis zirkelte zu Satzbeginn einen Angriff zwischen Stuttgarts Block und der Netzantenne spektakulär auf die Seitenlinie, Sarah Kamarah fand den freien Platz im Stuttgarter Feld, erstmals in dieser Saison sah man wieder Rachel Anderson mit Angriffen über Kopf, eine Spezialität aus dem Aufstiegsjahr. Zweimal blockte sie im Laufe eines Ballwechsels den Stuttgarter Angriff, beim dritten Mal landete der Block knapp im Aus. Aufsteiger und Klassenprimus lieferten sich einen offenen Schlagabtausch, der die Halle mitriss. Dann wieder zeigte sich die größere Klasse und Erfahrung der Gäste: Bis zum 20:20 konnte sich keiner einen entscheidenden Vorsprung verschaffen, dann unterlief Stuttgart kein Fehler mehr, ein Block gegen Rachel Anderson und ein Lob in die Feldmitte beendeten die Partie. Stuttgart gewann standesgemäß verdient, Neuwied hat auf seinem Weg in die erste Liga ein Wegstück zurückgelegt, das Hoffnung auf mehr als derartige Achtungserfolge macht.

Zur Spielerin des Tages wählte Dirk Groß die Stuttgarter Außenangreiferin Hester Jasper, Auf Neuwieder Seite wurde Zuspielerin Isabelle Marciniak geehrt, die auch aus schwierigen Situationen Pässe kreierte, die ihre Angreiferinnen gut verwerten konnten. „Dirk hat den Mädels einfach nur das Video aus Straubing gezeigt und ihnen damit klar gemacht, wie sie nicht spielen dürfen“, scherzte Geschäftsführer Faupel nach dem Schlusspunkt. „Wir konnten unsere Zuschauer positiv überraschen und ihnen ein gutes Spiel zeigen. Die Zuschauer können aber auch einiges von den zahlreich mitgereisten Stuttgarter Fans lernen. In der Fankultur haben wir auch noch Nachholbedarf.“

Zufrieden äußerte sich Dirk Groß: „Wir haben heute unser bisher bestes Spiel gezeigt und die Zuschauer für unser neues Team begeistert. Wir konnten heute ganz befreit aufspielen und haben ein sehr gutes Spiel gezeigt. Alle können mit dem Fortschritt zufrieden sein!“

Die meniskusoperierte Julia Wenzel verfolgte das Spiel gegen ihre ehemaligen Stuttgarter Mannschaftskameradinnen von der Tribüne aus und wurde vom Vereinsvorsitzenden Lepki mit einem Blumenstrauß in die Rekonvaleszenz verabschiedet. Auch sie war von den Fortschritten der Deichstadtvolleys angetan: „Vom letzten Spiel zu heute haben die Mädels einen großen Schritt nach vorne gemacht. Ich bin schon traurig, dass ich erstmal nicht mehr dabei sein kann“.