Insgesamt 40 Steine erinnern heute in Lahnstein an die Opfer des Nationalsozialismus.

Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist. Das sagt der Künstler Gunter Demnig, der inzwischen rund 75.000 Steine in 1.265 deutschen Kommunen und 23 weiteren Staaten Europas verlegt und damit „das größte dezentrale Mahnmal der Welt“ verwirklicht hat.

Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort kleine quadratische Gedenktafeln aus Messing in die Bürgersteige einlässt. Dabei erhält jedes verfolgte und ermordete Opfer einen eigenen Stein, seien es jüdische Bürger, Sinti und Roma, politisch oder religiös Verfolgte, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und Euthanasieopfer. Die Idee, diese Aktion auch in Lahnstein umzusetzen, hatte die Kolpingfamilie St. Barbara 2011 aufgegriffen und zur Realisierung um die Unterstützung der Stadtverwaltung gebeten. Mit einem einstimmigen Grundsatzbeschluss hatte dies der Stadtrat am 19. September 2011 zugesagt. Alle Stolpersteine wurden über Patenschaften finanziert.

Die Recherche über die Einzelschicksale übernahm Stadtarchivar Bernd Geil. Es galt nachzuweisen, welche Personen ihren letzten frei bestimmten Aufenthalt in Ober- oder Niederlahnstein hatten. In akribischer Kleinarbeit wurden die notwendigen Detailinformationen zu den Opfern und ihren Schicksalen zusammengetragen. Ermittelt wurden 20 Personen, die aufgrund ihres Glaubens starben und einer, der einer jüdischen Familie im Haushalt half und im Gefängnis starb. Ferner 19 Opfer der sogenannten „Euthanasie“.

Von den jüdischen Mitbürgern, die 1941 nach Friedrichssegen zwangsumgesiedelt wurden und dort Zwangsarbeit verrichten mussten, bevor sie deportiert und ermordet wurden, stammten neun aus Lahnstein. Diejenigen, deren letzte frei gewählte Anschrift in Ober- oder Niederlahnstein war, bekamen hier einen Stolperstein verlegt. Ebenso Juden, die bereits vor 1941 Lahnstein verließen und trotz Flucht durch Deutschland, Belgien oder die Niederlande letztlich dem gewaltsamen Tod nicht entrinnen konnten.

Schwierig gestaltete sich der Nachweis, ob ein psychisch Kranker Euthanasieopfer wurde. Die nationalsozialistisch gesinnten Anstaltsbetreiber hatten, um Morde zu vertuschen, die Patientenakten an andere Anstalten verschickt und dort den Tod beurkunden lassen. Meist wurden die Patientenakten anschließend vernichtet. Zwei Verzeichnisse aus dem Archiv der Gedenkstätte in Hadamar bezeugen Euthanasieopfern, die in Lahnstein geboren aber oft schon vor 1933 verzogen waren. Die erste Tabelle betraf die Personen, die 1941 in der Gaskammer der Tötungsanstalt Hadamar ermordet wurden. Von vier der elf Personen existieren Patientenakten im Bundesarchiv. In der zweiten Mordphase von 1942 bis 1945 wurden die Patienten nicht durch Gas, sondern mit Hilfe überdosierter Medikamente, gezielter Mangelernährung und unterlassener medizinischer Versorgung getötet. Von diesen Menschen existieren keine Patientenakten.

Vor jeder Verlegung eines Stolpersteins wurde das Einverständnis der heutigen Hauseigentümer eingeholt, vor deren Häusern die Mahnmale verlegt werden. Die Steine werden zwar auf dem Bürgersteig, also im „öffentlichen Verkehrsraum“ eingesetzt, doch es war der Stadtverwaltung wichtig, dass dies im Einverständnis mit den Hauseigentümern geschieht. In wenigen Fällen wurde dem widersprochen, weshalb fünf Steine auf dem Salhofplatz vor der Mahntafel, die an die ermordeten Lahnsteiner Bürgerinnen und Bürger des Holocaust erinnert, verlegt wurden.

Am 7. Juli 2012 wurden die ersten vier Steine im Beisein von Vertretern der Stadt, der Kolpingfamilie, des Lahnsteiner Altertumsvereins, der jüdischen Kultusgemeinde Koblenz sowie vieler Mitbürger und Schüler verlegt. 36 weitere Steine folgten in den Jahren 2013 bis 2015 an insgesamt 23 Standorten. Mit Unterstützung von Hans G. Kuhn und des Stadtarchivs gab die Kolpingfamilie einen „Wegweiser“ in Form einer Broschüre heraus. Das inzwischen ausverkaufte Heft ist als Online-Version im Stadtarchiv erhältlich. Sie zeigt alle Standorte der Stolpersteine auf und erzählt die Vita jedes Opfers. Durch die Verlegung der Stolpersteine wurden die Opfer wieder zurück in ihre Heimat geholt, zurück nach Lahnstein.