Nach einem Jahr Pause wollen die Deutschen in diesem wieder Karneval feiern. Aber geht das überhaupt, mit den schrecklichen Bildern aus der Ukraine im Hinterkopf?

Eigentlich sollten uns diese Bilder gefallen. Meschen kommen zusammen, haben gute Laune und feiern ausgelassen, nachdem dies im letzten Jahr nicht möglich war. Endlich wieder Karneval. Endlich wieder das Leben feiern. Doch kann man das Leben feiern, wenn zwei Stunden Flugzeit von uns entfernt unschuldige Menschen genau um dieses Leben kämpfen?

Das sind die Bilder, die uns nicht gefallen. Zerstörte Straßenzüge, Rauchwolken nach Bombeneinschlägen und zahlreiche tote Zivilisten. Tausende Frauen und Kinder sind auf der Flucht aus der Ukraine. Zurück bleiben Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Viele Frauen lassen ihre Ehemänner, Lebenspartner und auch Söhne und Brüder zurück. Kinder ihre Väter. Diese machen sich bereit für einen Einsatz im Krieg. Putins Krieg.

Doch inwiefern betrifft uns dieser Krieg? Es sind nicht unsere Väter, Brüder, Söhne und Männer, die zu den Waffen greifen müssen. Es sind nicht unsere Frauen und Kinder, die die Flucht ergreifen. Und es sind auch nicht unsere Städte, die ohne Rücksicht auf Verluste bombardiert werden. Warum sollten wir deswegen, erneut, auf unseren heiligen Karneval verzichten? Alleine die Ausformulierung dieser Gedanken zeugt von Egoismus und nicht vorhandener Menschlichkeit.

Blicken wird doch nur einmal sieben Wochen in die Zukunft. Am Freitag, dem 15. April, ist Karfreitag. An diesem Tag essen wir kein Fleisch, trinken keinen Alkohol und in der gesamten Bundesrepublik herrscht ein striktes Tanzgebot. Und das alles, weil wir den Tod eines Mannes betrauern, der vor 2.000 Jahren im ungefähr 3.000 Kilometern entfernten Jerusalem gekreuzigt wurde.

Zur aktuellen Stunde sterben in der Ukraine tausende unschuldige Menschen, nur knapp 1.200 Kilometer oder auch zwei Flugstunden entfernt von uns. Und dennoch trinken wir massenweise Alkohol, schwingen unser Tanzbein zu diversen Partyliedern und feiern das Leben.

Natürlich sollte niemandem vorgeschrieben werden was sie oder er zu tun und zu lassen hat. Aber kann diese Tatsache einfach so ausgeblendet werden? Die Tatsache, dass Krieg ist. Krieg in Europa. Zum ersten Mal seit dem Ende des zweiten Weltkriegs 1945. Zum ersten Mal seit mehr 75 Jahren. Zum ersten Mal in dem Leben so vieler von uns. Wollen wir diese Tatsache einfach ignorieren, nur weil uns der Karneval schon im letzten Jahr genommen wurde? Aus purem Egoismus?

Dieser Krieg betrifft auch uns. Er trifft uns in unserer Empathie und Menschlichkeit. Letzten Endes muss jeder für sich entscheiden, ob Karneval in diesem Jahr sein muss. Und es darf auch niemand für seine Entscheidung verurteilt werden. Dennoch sollte sich jeder selbst einmal hinterfragen, bevor sich kostümiert und Karnevalsmusik aufgelegt wird.

Imagine there's no countries
It isn't hard to do
Nothing to kill or die for
And no religion, too

Imagine all the people
Livin' life in peace