Kinder haben Rechte. Klar. Ein einfacher Satz. Ihn aber in die Köpfe der Menschen zu bekommen, und zwar so, dass sie Kinderrechte bei jedem Projekt - egal ob in Veraltung, Politik oder privat - automatisch von Anfang an mitdenken, das ist ein sprichwörtlich Dickes Brett. In Neuwied wird es seit Jahren kräftig gebohrt: mit Erfolg.
„Um Rechte von Kindern und Jugendlichen umzusetzen, müssen wir nicht auf die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz warten“, stellt Oberbürgermeister Jan Einig als Prozess-Initiator fest. Und er freut sich daher gemeinsam mit Bürgermeister Peter Jung und den Kollegen aus dem Kinder- und Jugendbüro (KiJub), dass es Neuwied als erster Stadt in Rheinland-Pfalz gelungen ist, die Kriterien für das Unicef-Siegel „Kinderfreundliche Kommune“ zu erfüllen. Am 23. September wird die Urkunde offiziell überreicht.
Kinderarmut in Neuwied: "Bei dieser Zahl bekomme ich immer noch Gänsehaut"
Vorausgegangen ist dem viel Arbeit: Es begann damit, dass aus der berühmten Not eine Tugend gemacht wurde. Denn als in Corona-Zeiten vieles stillstand, hatten die Mitarbeiter des KiJub Zeit, sich konzeptionell Gedanken zu machen. Dabei stand das Ziel schnell fest: „Wir wollen die kommunale Kinder- und Jugendarbeit aufwerten“, sagt Sonja Jensen und erklärt, dass ihr und ihren Kollegen schon damals bewusst war, was sich bei folgenden Erhebungen leider bestätigen sollte: In Neuwied, und hier gerade in der Innenstadt, gibt es einen sehr hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen, die von Armut bedroht oder schon betroffen sind. „Fast 20 Prozent. Ein Wahnsinn. Bei dieser Zahl bekomme ich immer noch Gänsehaut“, berichtet Sonja Jensen. „Wir müssen ganz einfach etwas tun“, lässt auch Bürgermeister Peter Jung als Jugenddezernent keinen Zweifel.
Auf Basis einer sehr umfangreichen Standortbestimmung – der Fragebogen umfasste mehr als 100 Punkte – ist anschließend ein Aktionsplan erarbeitet worden. Er enthält nunmehr 14 konkrete Maßnahmen, für deren Umsetzung es drei Jahre Zeit gibt. Wichtig dabei: Zur Halbzeit und am Ende finden Evaluationen statt. „Es ist also kein Papier, das einfach in einer Schublade verschwinden kann“, freut sich Jensen.
Die Maßnahmen
Unter den 14 Maßnahmen sind neben denen, bei denen Standards für die nächsten Jahre erarbeitet werden, auch solche, die schnell durchgeführt werden können. „QuickWins“ werden sie genannt. Drei Beispiele dafür:
- Es werden zwei Fördertöpfe eingerichtet. Kinder und Jugendliche – egal ob in Kita, Schule oder Verein – können daraus unkompliziert Unterstützung für ihre Ideen beantragen und pro Projekt bis zu 300 Euro bekommen.
- Es sollen gemeinsame „Streifzüge“ in der Stadt durchgeführt werden, um die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen zu ermitteln. Besonders bei Schul- und Freizeitwegen sollen Gefahrenstellen ausgemacht werden.
- Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei Planungen von Spiel und Freizeitplätzen wird als verbindlicher Standard in den Statuten der Stadt festgeschrieben.
Darüber hinaus sollen Kinder und Jugendliche auch bei Planungsverfahren mit Bürgerbeteiligungsformaten gezielt eingebunden und die dafür notwendigen finanziellen Mittel schon im Antragsverfahren eingeplant werden. Auch private Wohnbau-Investoren sollen – wenn rechtlich möglich – bei ihren Vorhaben verpflichtet werden, Abgaben für soziale Infrastruktur und Bildungseinrichtungen zu leisten oder bei neuen Siedlungen öffentliche Spielplätze zu bauen.
„Wir sind selbstkritisch und setzen uns hohe Ziele“, verspricht Oberbürgermeister Jan Einig und hält fest: „Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft, aber sie sind auch ein Teil unserer Gegenwart. Für sie wollen wir Vorhandenes aus- und Neues aufbauen, damit Neuwied auch in Zukunft ein attraktiver Standort für junge Familien ist.“