Kinder- und Jugendbücher sollten die ganze Vielfalt der Gesellschaft abbilden. Bürgermeister Jung lobte das Vorhaben bei seinem Besuch vor Ort.
Diese Meinung vertreten Volker Trümper, der Leiter der Neuwieder StadtBibliothek, und seine Stellvertreterin Anna Lenz. Doch die Realität sieht meist anders aus. Wer zufällig ein Bilderbuch aus den Regalen in Bibliotheken und Buchhandlungen herausgreift, blickt meist auf einen Prinzen in glänzender Rüstung, einen Drachen bezwingenden Ritter oder eine Prinzessin in einem großen Schloss – eventuell noch auf ein Kind beim Arztbesuch. Was sie eint? Die Hauptpersonen sind fast ausnahmslos hellhäutig, blond und blauäugig, sie haben Vater und Mutter und auf keinen Fall eine Beeinträchtigung, sagen Trümper und Lenz.
Sie betonen: „Das ist zugegebenermaßen eine überspitzte und vereinfachte Darstellung der aktuellen Bilderbuchlandschaft, sie legt dennoch ein großes Problem offen: Der deutschsprachige Kinder- und Jugendbuchmarkt bildet nicht die gesamte gesellschaftliche Vielfalt ab.“ Heißt: Die jüngste Leserinnen und Leser, deren Lebensrealität nur ein wenig von der Norm abweicht, finden in den Büchern kaum Identifikationsfiguren und Projektionsflächen, können sich nur schwer in die Hauptfiguren und deren Erlebnisse einfühlen. „Unter dem Strich gibt es zu wenig Lektüre für Kinder, die eine dunklere Hautfarbe haben oder aus einem anderen Kulturkreis stammen, für Kinder mit Einschränkungen und für Kinder, die in Familienmodellen leben, die vom klassischen Vater-Mutter-Sohn-und-Tochter-Schema abweichen“, konstatiert Trümper.
Das Leitungsduo der Stadtbibliothek unterstreicht, dass Kinderbücher auf besondere Weise das Weltbild prägen, mit dem man aufwächst. Laut der US-amerikanischen Professorin Rudine Sims Bishop benötigen kleine Kinder Bücher für zweierlei Dinge: als Spiegel, um sich selbst und seinen Platz in der der Welt der Bücher wiederzufinden, und als Fenster, um einen Einblick in andere Lebenswelten zu erhalten. Umso wichtiger sei es, Bücher zu präsentieren, die gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt abbilden, so Trümper und Lenz. Die Stadtbibliothek Neuwied hat daher eine neue Abteilung namens „Leben in Vielfalt“ eingerichtet.
In den darin präsentierten 50 Büchern sollen sich Kinder aus dem außereuropäischen Kulturkreis oder auch Kinder mit Beeinträchtigungen
wiederfinden und repräsentiert fühlen. Das geschieht zum Beispiel in Büchern wie „Du gehörst dazu“ oder „Ein*e Freund*in wie du.“ „Diese Bücher sind auch ,Fensteröffner‘, durch die Mädchen und Jungen auch andere Welten kennenlernen können. Zudem dienen sie auch dazu, Eltern bei einer diskriminierungsfreien Erziehung zu unterstützen“, betont Bibliotheksleiter Trümper. Er berichtet zudem davon, dass die neue Abteilung hervorragend angenommen wird: „Ein Drittel der Bücher sind bereits ausgeliehen.“
Bürgermeister Peter Jung, der für die Bibliothek zuständige Dezernent, lobte bei einem Besuch die Aktion. „Ich bin der StadtBibliothek dankbar für das Engagement in diesem Bereich. Die neue Abteilung passt hervorragend zu unseren beiden langfristig umzusetzenden Projekten Integrationskonzept und Kinderfreundliche Kommune. Auch das Thema Inklusion wird angesprochen, was für uns als Host Town der Special Olympics wichtig ist.“ Der Bürgermeister sicherte Trümper und Lenz seine Unterstützung für einen weiteren Ausbau der Abteilung zu.