Die Bauernproteste am vergangenen Montag haben nicht nur Autobahnen blockiert, sondern auch eine Debatte über den Sinn von Demonstrationen ausgelöst. In meiner aktuellen Kolumne beleuchte ich kritisch, ob solche Proteste wirklich sinnvoll sind. Welche Missstände decken die Landwirte auf, und wie effektiv können solche Aktionen tatsächlich sein? Erfahre mehr über die Hintergründe und die kontroverse Diskussion um den Generalstreik der Landwirte.

von Daniela Raben

Liebe Leserinnen und Leser,

wer am vergangenen Montag nicht im Voraus mitbekommen hat, dass ein bundesweiter Generalstreik der Landwirte große Teile des morgendlichen Berufsverkehrs lahmlegen wird, wird möglicherweise sehr überrascht geguckt haben, wenn ihm ein Konvoi von blinkenden und hupenden Trekkern und Lastwagen begegnet ist. Entgegen der sicherlich begeisterten Kinder werden berufstätige Erwachsene aber vor die Frage gestellt: Mitstreiken, im Homeoffice bleiben oder einen Urlaubstag einreichen oder sich davon nicht beeindrucken lassen und dem normalen Alltag nachgehen.

Mir stellt sich die Frage, was steckt denn eigentlich hinter den Protesten und was sollen sie, außer langen Staus auf den Autobahnen, bezwecken?

Der offensichtliche Grund, überhaupt diese Proteste ins Leben zu rufen, waren ja zunächst die geplanten Kürzungen der Subventionen auf Agrardiesel für den Landwirtschaftssektor. Viele Aufrufe hierzu lauteten in etwa so, dass man sich solidarisch (für mich durch Coronazeiten leider ein ins Negative gewandelter Begriff, denn wer hier nicht „solidarisch“ war, handelte gleich gegen seine Mitbürger; Anmerkung am Rande) zeigen und die Bauern unterstützen solle. Denn Mehrkosten in der Landwirtschaft wirken sich zwangsläufig auf viele Bereiche des Otto-Normal-Bürgers aus, wie etwa teurere Lebensmittelpreise.

Dann kamen im Laufe der letzten Tage und Wochen aber auch Stimmen auf, die sagten, die aktuelle Ampel-Regierung verfehle ihren Auftrag am eigenen Volke. Man wolle die Missstände, die derzeit in Deutschland herrschen, aufzeigen. Der Regierung ein Zeichen setzen.

Nun eröffnet sich an der Stelle die Diskussion: Ist eine solche Protestaktion der richtige Rahmen, um seinem Unmut Luft zu machen? Müssen wir befürchten, dass diese Aktion dazu genutzt werden könnte, um von Extremisten, egal aus welchem Lager, unterwandert und für deren eigene Zwecke genutzt zu werden? Meine Meinung ist an der Stelle ganz klar: Wir haben als deutsche Staatsbürger das Recht, unserer Meinung Ausdruck zu verleihen:

Nach Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Dieses Grundrecht ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern, sich aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu beteiligen.

Und sind nicht die von uns in einer demokratischen Wahl gewählten Volksvertreter in ihrer Verantwortung, im Sinne des Volkes zu handeln? In meinen Augen tun sie dies aber in vielen Bereichen kaum oder gar nicht mehr. Man liest von Teuerungen und Steuererhöhungen an allen Ecken und Enden. Eine Familie kann von einem Gehalt schon lange nicht mehr leben, derzeit kaum von einem Voll- und einem Teilzeitgehalt, das gängige und meist gelebte Modell in unserem Land. Mit der nun eingetretenen Rückkehr zur Mehrwertsteuer auf den Gastronomiebereich von 19 % ist es uns mit zwei Kindern auch nur noch seltener als eh schon möglich, gemeinsam Essen zu gehen. Ganz zu schweigen von der zu erwartenden Nachzahlung bei Strom- und Gasabrechnungen. Wenn dann jetzt die Bauern den Vormarsch machen, auf die Straße zu gehen und Zeichen zu setzen, denen „da oben“ zu zeigen, dass wir nicht mit deren Politik und den Zuständen im Land zufrieden sind, dann bin ich ganz klar für Proteste. Sicher, sie sollen im Rahmen ablaufen. Aber das taten sie auch. Der Berufsverkehr wurde am Montagmorgen kaum gehindert, die Polizei gab ein positives Fazit zur Einhaltung der geltenden Bestimmungen und Rücksichtnahme, wie dem Bilden von Rettungsgassen, ab.

Erstaunlich ist ja auch, dass allein durch die Ankündigung der Proteste Ende Dezember plötzlich von Seiten der Regierung nicht mehr von einer kompletten Streichung der Subventionen für die Landwirte die Rede war. Auf einmal hat man neu gerechnet und es tat sich doch ein „kleiner“ Puffer von ca. 100 Millionen Euro auf, den man nutzen wolle, um wenigstens teilweise weiter Subventionen zu zahlen.

Und hat uns nicht die Geschichte gezeigt, dass Protestaktionen, sofern sie denn friedlich verlaufen, auch dazu führen können, dass die Bürger wieder wahrgenommen werden und sich Dinge verändern können? Einer der größten erfolgreichen Proteste unserer Zeit war der Sturz der DDR. Wer weiß, was ohne den Mut und den Einsatz einiger Weniger geworden wäre. Es muss immer jemanden geben, der den Anfang macht. In diesem Jahr, gleich zu Beginn des neuen Jahres, sind es die Landwirte. Die, wie man nicht vergessen darf, in unserer Region als einer der Ersten bei der großen Ahrtalkatastrophe vor Ort waren und „solidarisch“ und unbürokratisch den Menschen im Ahrtal wochen- und monatelang zur Seite gestanden haben.

Am Ende muss man immer damit rechnen, dass gewisse Gruppen versuchen, solche Aktionen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Ich bin dennoch der Meinung, dass uns das nicht davon abhalten darf, von unserem Recht Gebrauch zu machen, uns als Bürger zusammenzuschließen und gemeinsam, ob jung oder alt, arm oder reich, auf die Straßen zu gehen und unserem Unmut nicht nur vom Sofa aus Luft zu machen, sondern wirklich Taten folgen zu lassen.

In diesem Sinne

eure Dani