Der große Coup
Die junge Kay Vess hat das Glück nicht unbedingt gepachtet: Schon als kleines Kind von ihrer Mutter im Stich gelassen, hält sie sich auf dem Planeten Cantonica mit Aufträgen für kleine Gaunereien über Wasser – und das meist mit überschaubarem Erfolg. Als sich ihr endlich die Chance bietet, zusammen mit einer Crew den ganz großen Coup zu landen und ordentlich abzusahnen, geht der geplante Einbruch in einen gut gesicherten Tresor nach hinten los. Immerhin stibizt Kay auf ihrer Flucht das Raumschiff „Bahnbrecher“, mit dem sie ihren Häschern entkommen kann, zumindest vorerst.
Denn mit ihrem versuchten Einbruch und dem Diebstahl der Bahnbrecher hat Kay den Zorn eines mächtigen und gefährlichen Mannes auf sich gezogen: Sliro Barsha, der Gründer und Anführer des mächtigen Syndikats Zerek Besh, der sich kurz zuvor in einer hinterhältigen Aktion á la „Die Rote Hochzeit“ seiner Haupt-Konkurrenten entledigt hat und jetzt zur Jagd auf die flüchtige Gaunerin bläst. Dabei bleibt Kay nach ihrer Bruchlandung auf dem Planeten Toshara nichts anderes übrig als dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hat. Denn um sich die Reparatur und den Kauf von Ersatzteilen leisten zu können, muss sie erst die dafür nötigen Credits verdienen. Und wie macht man das am besten als kleine Ganovin? Indem man z.B. Aufträge für verschiedene Kartelle erledigt und sie dabei gegeneinander ausspielt, bei Händlern die gesammelten Gegenstände zu Geld macht oder sein Glück beim Kartenspiel Kessel-Sabacc versucht, einer Mischung aus Poker und Black Jack, bei der man sich zur Not auch mit Mogeln und Spezialkarten einen Vorteil verschaffen kann.
Besser als Nix
Generell erweist sich Kays tierischer Begleiter Nix auch abseits von Sabacc als willkommene Unterstützung. Denn das putzige Kerlchen sieht nicht nur unfassbar niedlich aus, sondern hat auch ein paar starke Tricks auf Lager: Auf Befehl wird der Merqaal (so der Name der Spezies!) z.B. zum Taschendieb, lenkt Wachen ab oder attackiert sogar Gegner mit einem wilden Sprung ins Gesicht. Auch kann er für einen kurzen Moment selbst durch Wände hindurch wichtige Objekte oder Feinde sichtbar machen. Später erlernt er sogar weitere Fähigkeiten, darunter das Sabotieren von Stromkästen oder das Anbringen tödlicher Sprengladungen an Alarmknöpfen.
Das ist vor allem deshalb praktisch, weil in den Missionen vor allem das Schleichen im Vordergrund steht und manchmal schon ein kurzer Moment der Unachtsamkeit zum sofortigen Scheitern und dem vorzeitigen Abbruch der Mission führt, sobald man während der Infiltration entdeckt wird. Das kann durchaus frustrierend sein und die Entwickler arbeiten bereits an einem Update, um den Schwierigkeitsgrad in manchen Abschnitten zu entschärfen. Dabei agiert die KI eigentlich nicht sonderlich clever und scheint teilweise gleichzeitig taub zu sein und Tomaten auf den Augen zu haben. Aber wie gesagt: Manchmal reicht ein kleiner Fehler aus, um wieder von vorne beginnen zu müssen – und sei es nur, weil man kurz im Sichtfeld einer Überwachungskamera gelandet ist.
Vorbereitung und Vorsicht
Dem kann man mit guter Vorbereitung vorbeugen, denn mit dem Fernglas lassen sich aus sicherer Entfernung sowohl Gegner als auch Objekte wie besagte Kameras oder Alarmvorrichtungen markieren. Wird man allerdings erwischt und muss die Mission von vorne starten, sind auch sämtliche Markierungen futsch. Stellenweise kommen beim Schleichen wohlige Erinnerungen an Stealth-Klassiker wie Metal Gear Solid, Hitman oder Splinter Cell zurück – etwa dann, wenn man sich im hohen Gras versteckt, Feinde mit einem Pfeifen anlockt und sie anschließend mit einer leisen Nahkampf-Attacke ausschaltet. Trotzdem wird insgesamt nur abgespeckte Schleich-Kost geboten: Körper von Feinden lassen sich z.B. nicht verstecken, das Arsenal an Werkzeugen ist begrenzt und wie schon erwähnt geht die Gefahr von Gegnern eher durch ihre hohe Anzahl und weniger von ihrer erschreckend niedrigen Intelligenz aus. Allzu viel Hirnschmalz wird allerdings auch nicht vom Spieler gefordert, denn Rätsel halten sich in Grenzen, die Erkundung beschränkt sich im Prinzip auf das Nachjagen von Icons in der Kompassanzeige und das Hacken von Terminals erinnert mit der Suche nach der richtigen Reihenfolge von Symbolen an das beliebte Puzzlespiel Wordle. Leider nutzt sich diese anfangs noch spaßige Mechanik ebenso schnell ab wie der Einsatz des Datenstifts beim Knacken von Schlössern, bei dem man wie in einem Rhythmusspiel die Taste in vorgegebenen Taktfolgen drücken muss.
Durchschnittliche Blaster-Gefechte
Hin und wieder weicht das Schleichprinzip offenen Blaster-Gefechten – sei es durch geskriptete Ereignisse oder weil man den Alarm ausgelöst hat und dabei nicht umgehend mit dem Neustart der Mission bestraft wird. Die Schussgefechte sind spielerisch bestenfalls durchschnittlich und vor allem das Trefferfeedback lässt in Kombination mit der Kanonenfutter-KI sehr zu wünschen übrig. Zudem lassen sich Wummen wie ein Granatwerfer sowie Scharfschützen- oder Sturmgewehre nur in bestimmten Situationen und mit knapper Munition nutzen. Immerhin cool ist der Wechsel zwischen verschiedenen Schusstypen, bei denen man z.B. zunächst Schilde mit einer Elektro-Variante zerstören muss, bevor man den Gegner anschließend mit normalen Lasersalven ausschaltet. Auch in vereinzelten Umgebungsrätseln kommt der Blaster zum Einsatz, um z.B. versteckte Stromquellen zu zerstören...oder zu aktivieren. Zudem lässt sich die Waffe mit der Zeit aufrüsten, um ihr noch mehr Wumms zu entlocken, mit dessen Hilfe man sogar Zugang zu vormals gesperrten Arealen erlangt.
Offene Welt mit Beschäftigungstherapien
Zwar führen die Missionen meist in irgendwelche Basen oder spielen sich innerhalb der Grenzen größerer und wunderbar lebendig gestalteter Locations auf den insgesamt drei großen Haupt-Planeten Toshara, Tatooine und Kijimi ab. Aber eingebettet sind sie jeweils in eine offene Welt, die man sowohl per pedes als auch auf dem Sattel eines Speeder Bikes erkunden kann, für das man ebenfalls Upgrades erwerben darf. Um es kurz zu machen: Inhaltlich entspricht die Spielwelt meist dem, was man bereits aus anderen Ubisoft-Titeln kennt. Man wird also teilweise im Sekundentakt mit irgendwelchen belanglosen Aktivitäten drangsaliert, um ja genügend Ablenkung abseits des Hauptpfades serviert zu bekommen. Hier wieder ein versteckter Schatz, dort wieder ein Wachturm des Imperiums, hinten wartet schon das nächste Speederbike-Rennen und auch der Hinweis auf ein weiteres Piratenlager ploppt schon wieder auf dem Bildschirm auf. Dazu gesellen sich eingestreute Zufalls-Events wie das Bergen von Fracht oder die Verteidigung von Zivilsten sowie gefühlt immer gleiche Aufträge, die man noch on top für die Syndikate erfüllen darf. Das alles wirkt wie ein schlechter (Alp-)Traum, um die Generation ADHS glücklich zu stimmen! Ich habe dagegen fast schon mit Lichtgeschwindigkeit die Lust an diesen ewig gleichen Beschäftigungstherapien verloren, die offenbar in erster Linie dazu dienen, um die Spielzeit künstlich zu strecken. Ich frage mich ernsthaft, woher dieser krankhafte Zwang seitens Ubisoft kommt, alle großen Marken in diesen mit Aktivitäten und Sammelkram zugemüllten offenen Welten zu verwursten. Immerhin darf man auf eine Schnellreisefunktion zurückgreifen, um von dem sinnlosen Aktivitäten-Overkill der Open World so gut wie möglich verschont zu bleiben.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Star Wars Outlaws als lineares Spiel und mit deutlich reduzierten Sammel-Ressourcen deutlich besser funktioniert hätte! Denn die weitläufigen Schauplätze, die man im Rahmen der Hauptmissionen meist besucht und infiltriert, überzeugen oft mit einem cleveren Design, das mehrere Möglichkeiten und Zugänge bietet, um die Aufträge erfolgreich abzuschließen und damit zum Experimentieren einlädt. Von mir aus hätten man sich die Anreise durch die offene Welt zum Startpunkt und die redundanten Nebenaktivitäten daher komplett sparen können. Denn abseits des inhaltlichen Dauer-Recyclings leidet die Open World zumindest auf der PS5 auch unter vielen technischen Problemen: Selbst im Performance-Modus geht die Bildrate häufig in die Knie – vor allem, wenn Wasser dargestellt wird (z.B. auf Toshara). Überhaupt ist der Performance-Modus mit seiner extrem schwankenden Darstellungsqualität eine herbe Enttäuschung und entgegen meiner Vorliebe habe ich irgendwann doch lieber in den Qualitätsmodus gewechselt. Dort muss man zwar generell mit einer niedrigeren Bildrate leben, aber diese Variante sieht dafür nicht nur etwas schicker aus, sondern bietet auch eine konsistentere Darstellung als der wankelmütige Performance-Modus. Während die PC-Version von Star Wars Outlaws in der Presse teilweise als Technik-Wunder gefeiert wird, sollte man auf der Konsole dagegen nicht allzu viel erwarten, denn viele der Texturen wirken verwaschen, die Figuren (viele aus der Klonfabrik!) lassen besonders im Gesicht Details vermissen, einige der Animation wirken recht hakelig und auch die Steuerung macht nicht immer das, was sie soll. Und auch vor Bugs ist man nicht sicher, angefangen bei Grafikfehlern über KI-Aussetzer bis hin zum plötzlichen Verschwinden des XXL-Gegners in einem der seltenen Bosskämpfe. Hier hat dann nur noch das Laden des letzten Checkpunkts geholfen, um einen neuen Versucht zu starten.
Cleverer Fortschritt
Richtig gut gelungen ist den Entwicklern die generelle Progression: Anstatt wie viele andere Spiele heutzutage mit Elementen wie Erfahrungspunkten, zig Charakter- und Ausrüstungswerten oder dämlichen Seltenheitsstufen beim Equipment einen traurigen Kniefall vor dem (Action-)Rollenspiel zu vollziehen (siehe God of War), erhält man hier meist durch logischen Fortschritt innerhalb der Geschichte oder die Suche nach einer seltenen Komponente Zugriff auf neuen Waffen, Mechaniken und Fähigkeiten und nicht durch „Rangaufstiege“, nachdem man genügend XP-Punkte gesammelt hat.
Dabei spielen auch die so genannten Spezialisten eine Rolle, mit deren Hilfe Kay ihre bereits vorhandenen Fähigkeiten weiter ausbaut oder neue erlernt. Die Aufgaben, die man für diese Verbesserungen erfüllen muss, sind zwar teilweise etwas merkwürdig und beliebig, aber mir gefällt der Ansatz ähnlich gut wie die Bedeutung der Fraktionen und welche Rolle das Verhältnis zu ihnen spielt. Denn nur wenn sich Kay mit dem Hutten Kartell, dem Pyke Syndikat, den Crimson Dawn, dem Ashiga Clan oder – Gott bewahre! - dem Imperium gut stellt, kann man ihre jeweiligen Bezirke in Siedlungen und der offenen Welt ohne die Gefahr betreten, umgehend attackiert zu werden. Es besteht also durchaus ein Reiz darin, den Balanceakt zu meistern, dass einem möglichst viele Syndikate freundlich gesonnen sind. Neben der Wahl von Aufträgen tragen insbesondere zentrale Entscheidungen dazu bei, wie sich die Beziehung zu den jeweiligen Syndikaten entwickelt. Gleichzeitig bilden sie einen Motivationsfaktor, das Abenteuer ein weiteres Mal auf alternativen Wegen durchzuspielen.
Einfallsloses Missionsdesign mit kleinen Highlights
Allerdings muss man sich im Klaren sein, dass nicht nur die Nebenaufgaben, sondern leider auch die Hauptquests in Sachen Missionsdesign nicht sonderlich abwechslungsreich ausgefallen sind. Beim Großteil der Aufträge handelt es sich um simple Hol- und Bringmissionen, teilweise verteilt über mehrere Stationen. Ähnlich wie Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain wird also auch Star Wars Outlaws keinen Applaus für eine ideen- und facettenreiche Missionsstruktur ernten. Immerhin sorgen eingetreute Fluchtsequenzen und nicht zuletzt die Ausflüge in den Weltraum inklusive Dogfights gegen TIE Fighter, Sternenzerstörer & Co für willkommene Tempowechsel und einen Hauch von Abwechslung. Und auch das dramatische Finale entschädigt für so manchen langweiligen Leerlauf auf dem Weg dorthin, der je nach Spielweise 25 Stunden oder deutlich mehr Zeit beansprucht. Die Hintergrundgeschichte und die meisten Figuren, denen man auf der Reise begegnet, werden vermutlich jedoch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Da wirken die wenigen Gastauftritte bekannter Charaktere sowie das eine oder andere Easter Egg fast schon wie dringend benötigter Rettungsanker – und Fanservice natürlich! Was jeden bewusst sein muss: Wie der Name schon sagt stehen bei Outlaws primär all die Gangster, Schurken und Ganoven des Star-Wars-Universums im Mittelpunkt. Elemente wie die Macht, Jedi, Duelle mit Lichtschwertern spielen hier quasi keine Rolle. Wer das sucht, ist bei Star Wars Jedi: Fallen Order bzw. dessen Nachfolger Survivor (zum Test) besser aufgehoben. Oder anders gesagt: Man schlüpft hier eher in die Schuhe eines Han Solo und nicht die eines Luke Skywalkers!
Fazit:
In seinen besten Momenten konnte mich Star Wars Outlaws tatsächlich in seinen Bann ziehen! Hervorzuheben sind insbesondere die lebendigen und abwechslungsreichen Schauplätze, die mit ihrem bunten Treiben nicht nur die Fans der Sternensaga entzücken dürften und zum Erkunden einladen. Der Umgang mit den verschiedenen Fraktionen und die Konsequenzen schwieriger Entscheidungen gehören neben situativen Spannungsmomenten bei Schleicheinsätzen trotz dummer KI genauso zu den Stärken wie der putzige Sidekick Nix, der sich immer wieder als nützlicher Helfer erweist. Auch die Ausflüge in den Weltraum inklusive Dogfights und die clevere Progression ohne aufgesetzten Rollenspiel-Quatsch haben mir zugesagt. Gleiches gilt für den atmosphärischen Soundtrack mit seinen hybriden Orchester-Elektro-Arrangements und die überwiegend guten deutschen Synchronsprecher. Aber dann gibt es auch leider wieder die dunkle Seite der Macht, die sich hier vor allem durch das eintönige Missionsdesign, die zugemüllte offene Spielwelt und den damit einhergehenden Sammelwahn manifestiert. Ich bin fest davon überzeugt, dass Star Wars Outlaws als lineares Spiel deutlich besser funktioniert hätte als diese Open World der Marke Ubisoft, die ich vor lauter Langeweile dank Schnellreise so oft gemieden habe wie möglich anstatt mich weiter diesem unsäglichen Bombardement ewig gleicher Nebenaktivitäten auszusetzen. Ob Ubisoft es jemals lernen wird, dass weniger manchmal mehr sein kann und nicht jedes verdammte Spiel eine offene Welt mit künstlich aufgesetzten Beschäftigungstherapien benötigt? Laut aktueller Meldungen haben sich die hohen Verkaufserwartungen der Franzosen an das Spiel bisher ja nicht erfüllt. Vielleicht findet mit Blick auf den zunehmend einschläfernden Designansatz der altbekannten „Ubi-Formel“ jetzt doch mal langsam ein Umdenken statt und es gibt irgendwann eine neue Hoffnung, die Star Wars Outlaws in dieser Form trotz ein paar gelungener Momente aber leider noch nicht erfüllen kann...