Die neue stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion im exklusiven aktuell4u-Interview.

Berlin/Rhein-Hunsrück |

In einem exklusiven Interview mit der Bundestagsabgeordneten Carina Konrad sprachen wir über ihre neue Rolle als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, die Koalitionsverhandlungen und die Zukunft der Landwirtschaft. Die Politikerin aus dem Vorderhunsrück möchte die Agrarpolitik mit kreativen Ideen vorantreiben, die auf neuen Technologien und Digitalisierung beruhen.

aktuell4u: Herzlichen Glückwunsch zur Wahl zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion. Wie bewerten Sie die neue Rolle und wie groß war Ihre Freude über die Wahl?

Carina Konrad: Vielen Dank. Ich bin Politikerin, weil ich etwas bewegen möchte. Dass ich die Gelegenheit dazu nun sogar als Fraktionsvize bekomme, ist mir eine große Ehre. Vor unserem Land lagen schon vor Corona große Herausforderungen, die in der Pandemie nichts an Relevanz eingebüßt haben. Wir müssen unser Land digitalisieren und beschleunigen.

aktuell4u: Sie waren bei den Koalitionsverhandlungen die Chefverhandlerin der FDP in der Verhandlungsgruppe Agrar. Haben Sie sich aktiv für diesen Posten beworben oder wurden Sie von Ihrer Partei dafür bestimmt?

Carina Konrad: Das Kernverhandlungsteam, welches bei der FDP aus den heutigen Ministern Christian Lindner, Volker Wissing, Marco Buschmann und Bettina Stark-Watzinger bestand, hat die Verhandlungsgruppen zusammengestellt. Die Verhandlungsleitung des Agrarbereichs zu übernehmen, war eine große Verantwortung. Dass sie mir übertragen wurde und das Ergebnis machen mich optimistisch. Denn die Landwirtschaft steckt in einem riesigen Veränderungsprozess. Nachwuchs ist auf den Höfen Mangelware, die gesellschaftlichen Anforderungen sind groß und die Einkommenssituation ist angespannt.

aktuell4u: Besteht nach den Verhandlungen eine gewisse Form der Enttäuschung, dass das Landwirtschaftsministerium schließlich nicht an die FDP gegangen ist?

Carina Konrad: Die FDP hatte ein sehr gutes Wahlergebnis, aber mit 11,5 % die absolute Mehrheit immer noch deutlich verfehlt. Wir sind nun nach 8 Jahren außerparlamentarischer und parlamentarischer Opposition zurück in Regierungsverantwortung, doch wir konnten mit unserem Wahlergebnis natürlich nicht alle Ministerien mit FDP-Ministerinnen und -Ministern besetzen. Ich persönlich hätte als Landwirtin natürlich gerne eine liberale Hausspitze gesehen. Doch es ist anders gekommen und die Aufgaben in diesem Bereich sind riesig und müssen gelöst werden. Dazu werden wir als FDP-Fraktion unseren Beitrag leisten, übrigens in allen Bereichen.  

aktuell4u: Sind Sie zufrieden mit den Ergebnissen Ihrer Verhandlungsgruppe und der Besetzung des Landwirtschaftsministeriums?

Carina Konrad: Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahren stark gelitten. Einsicht alleine löst weder die gesellschaftlichen noch die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen. Das haben wir erkannt und im Koalitionsvertrag die Zukunft von Tierhaltung, Ackerbau und Ernährung klar fokussiert. Deshalb bin ich optimistisch, dass der Weg jetzt in die richtige Richtung geht. Froh bin ich über die Einigung zur geplanten Einführung einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung, weil dies zur Transparenz führt, die von den Verbrauchern gewünscht wird und den Landwirten die Möglichkeit auf angemessene Honorierung gibt. Wenn Menschen krank werden, gehen sie zum Arzt, um gesund zu werden. Der Arzt der Pflanzen, die ebenfalls krank werden, ist der Landwirt. Dieser braucht Medizin für seine Pflanzen in Form von Pflanzenschutzmitteln und Düngern, um gesunde Lebensmittel für uns alle zu erzeugen. Hier setzen wir an und wollen Zulassungen beschleunigen, Alternativen forcieren und die Digitalisierung vorantreiben.  

aktuell4u: Nehmen Sie uns etwas mit in die Koalitionsverhandlungen. Verliefen die Gespräche harmonisch oder gab es des Öfteren auch laute und hitzige Diskussionen?

Carina Konrad: Alleine beim Blick auf die Wahlprogramme der drei Parteien wird deutlich, dass es bei vielen Themen unterschiedliche Vorstellungen gibt. Interessanterweise oft nicht bei den Zielen, die erreicht werden sollen, sondern eher bei dem Weg dorthin. Gerade die Landwirtschaft ist ein wahnsinnig emotionales Thema. Unsere Aufgabe war es, am Ende zu Ergebnissen zu kommen, und diese Herausforderung haben wir angenommen. Wir haben mit großer Fachlichkeit und Detailtiefe diskutiert. Alle am Tisch waren sehr gut vorbereitet, was von einer gewissen Wertschätzung für das Thema Landwirtschaft zeugt.

aktuell4u: In den Medien wurde die FDP als klarer Gewinner der Koalitionsverhandlungen wahrgenommen. Wie stehen Sie dazu?

Carina Konrad: Die Debatte über Gewinner und Verlierer der Verhandlungen ist für mich sinnbefreit. Stattdessen geht es darum, gemeinsam den Weg nach vorne zu gehen. Wir dürfen uns nicht mehr gegenseitig blockieren, sondern müssen gemeinsam Lösungen finden, wie wir weiterkommen. Klimawandel, Transformation der Wirtschaft, Digitalisierung: Diese Themen sind zu groß, um sie nicht gemeinsam anzugehen. Nur so kommen wir vorwärts. Streit gab es in den letzten Jahren genug. Davon haben die Bürgerinnen und Bürger die Nase genauso voll wie ich selbst auch.

aktuell4u: Sind Sie mit der Verteilung der Ressorts zufrieden?

Carina Konrad: Die vier Ministerien, für die wir nun zuständig sind (Finanzen, Justiz, Bildung und Forschung, Verkehr und Digitales), sind absolute Transformationsministerien und gute Grundlagen dafür, liberale Kernpolitik weiter nach vorne zu bringen. Natürlich wünscht man sich immer mehr Ministerien, aber genau dies treibt uns auch an, unseren Weg weiterzugehen, um bei der nächsten Wahl noch mehr Stimmen zu gewinnen, sodass wir dann vielleicht auch noch ein fünftes Ministerium bekommen. Aber als ich mit Politik angefangen habe, waren wir nicht einmal im Bundestag vertreten. Jetzt sind wir Teil der Regierung und haben vier Ministerien. Das ist ein Wahnsinnsgefühl! Zudem erfüllt es mich mit Stolz, weil es eine Gesamtleistung der Partei war.

Vielen Dank für das Interview. Das Interview führte Jan-Niklas Frohs.