Ein Erfahrungsbericht.

Kreis Ahrweiler |

Die Zahl der freiwilligen Helfer*innen bei den Aufräumarbeiten im Ahrtal ist groß. Vergangenes Wochenende kollabierte schließlich der Verkehr. Eine private Anreise ins Krisengebiet ist nicht mehr gestattet. Die Freiwilligen sind auf die Helfer-Shuttle angewiesen. Aktuell4u war vor Ort und ist mit einem Shuttlebus ins Katastrophengebiet gefahren.

Um 7 Uhr machen wir uns auf den Weg vom Vorderhunsrück nach Grafschaft. Ab 9 Uhr fahren von dort die Shuttlebusse in die betroffenen Ortschaften im Ahrtal. Im Normalfall dauert die Fahrt nach Grafschaft eine knappe Stunde. Aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens und des großen Andrangs bei den Shuttlebussen, entscheiden wir uns, bereits zwei Stunden vor Abfahrt der Busse loszufahren.

Gegen halb 9 erreichen wir den Parkplatz des Innovationsparks in Grafschaft-Ringen. Wir begeben uns direkt in die Schlange der Wartenden, die bereits jetzt mehrere hundert Meter beträgt. Über ein Mikrofon spricht der Leiter der Koordinierungsstelle zu den wartenden Freiwilligen. Dabei klärt er über die mentalen und körperlichen Belastungen auf, welche die Helfer*innen vor Ort erwarten werden. Anschließend folgen Informationen, zum Verhalten bei medizinischen Notfällen. Erst dann wird über die Aufteilung der Shuttlebusse gesprochen.

Menschen mit Verwandten oder engen Bekannten in den betroffenen Ortschaften werden priorisiert behandelt und zunächst auf die entsprechenden Busse aufgeteilt. Daraufhin fahren Linienbusse vor, die mit 90 Helfer*innen befüllt werden und Bad Neuenahr-Ahrweiler anfahren. Das Tragen der Maske ist Pflicht, an die Einhaltung des Mindestabstands kann nicht gedacht werden. Zusätzlich stehen dutzende Kleinbusse parat, die kleinere Ortschaften anfahren. Dazu können sich die Freiwilligen an Schildern mit dem Namen der jeweiligen Orte anstellen oder sie werden spontan zugeteilt.

Nach kurzem Rundfragen sitzen wir um kurz nach neun in einem 9-Sitzer, der uns nach Marienthal befördern wird. Im Auto wurden uns einige Zettel überreicht mit Adressen zu Häusern, in denen aktuelle Hilfeleistungen benötigt werden. Der Fahrer, ein Erzieher aus der Region, der mit dem Fahrzeug seines Arbeitsgeber seit Wochen, wie viele andere auch, ehrenamtlich Tag für Tag die vielen Freiwilligen in die betroffenen Orte befördert, gibt uns während der Anfahrt nochmal eine detaillierte Einweisung. Dabei geht um diverse Erkennungsmerkmale und Zeichen vor Ort. Wir vereinbaren eine Zeit und einen Treffpunkt für die Rückfahrt und gründen eine WhatsApp-Gruppe, um durchgehend erreichbar zu sein.

Über Vettelhoven und Esch gelangen wir nach 20-minütiger Fahrt in unseren Zielort. Auf dem Weg kommen wir an einem riesigen Müllberg vorbei. Schockiert von diesem Anblick teilt uns der Fahrer mit, dass dies leider bei weitem nicht der einzige und größte Müllberg derzeit ist. Er erzählt uns von einem Weinberg in Rech, der im Zuge der Hochwasser-Katastrophe zu einem unbeschreiblich großen Müllhaufen mutiert ist.

Es ist nicht unser erster Tag im Katastrophengebiet, weshalb wir schnell versuchen, der Arbeit vor Ort nachzugehen. Die eindrucksvollen Bilder, zerstörte Häuser und unzählige Familientragödien immer vor Augen, müssen diese doch ausgeblendet werden, um produktiv Arbeiten zu können. Es folgt ein anstrengender Tag. Keller werden leergeräumt, Wände eingeschlagen und Fußböden rausgerissen. So vergeht der Tag, Eimer für Eimer, Stein für Stein, Erinnerungsstück für Erinnerungsstück. Und doch scheint kein Ende in Sicht. Die Hilfsbereitschaft und Solidarität untereinander ist jedoch unbeschreiblich.

Zum ausgemachten Zeitpunkt, holt uns unser Fahrer am vereinbarten Treffpunkt wieder ab. Zurück führt uns der Weg durch das Ahrtal, über Bad-Neuenahr-Ahrweiler nach Grafschaft. Die Eindrücke sind einmal mehr gewaltig. Wir sehen Gleise, die in der Luft hängen, da die darunter liegende Brücke nicht mehr existiert. Die Straße, die uns zurückbefördert, besteht nur noch zur Hälfte oder hat sich in einen Schotterweg verwandelt.

Zurück in Grafschaft werden wir von unzähligen Helfern empfangen. Wir haben die Möglichkeit, unsere Schuhe zu putzen und es bietet sich eine riesige Auswahl an kostenlosen Essen und Getränken. Nach einer kurzen Stärkung führt uns der Weg über den Parkplatz, der einem Festival-Gelände gleicht, da viele Helfer*innen dort zelten, um täglich vor Ort zu sein, zurück zu unserem Auto und schließlich nach Hause.

Eine Anreise mit privaten Fahrzeugen ist nicht nötig. Die Shuttle-Station ist gut organisiert und kann bis zu 3500 Helfer*innen tagtäglich ins Katastrophengebiet befördern. Diejenigen, die sich im Zuge der Hochwasser-Katastrophe gerne engagieren würden, aber sich die mentale und körperliche Belastung vor Ort nicht zutrauen, können auch bei der Shuttle-Station in Grafschaft helfen. Auch dort wird jede helfende Hand benötigt. Weitere Infos gibt es unter www.helfer-shuttle.de.