Der rheinland-pfälzische Landtag lässt die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in einheimischen und migrantischen Familien in Rheinland-Pfalz durch die Universität Koblenz erforschen. Die dritte und vierte Generation nach der Ära des Nationalsozialismus steht dabei besonders im Fokus.

Koblenz |

Der rheinland-pfälzische Landtag lässt die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in einheimischen und migrantischen Familien in Rheinland-Pfalz durch die Universität Koblenz erforschen. Die dritte und vierte Generation nach der Ära des Nationalsozialismus steht dabei besonders im Fokus.

Laut der repräsentativen Studie „MEMO Deutschland - Multidimensionaler Erinnerungsmonitor“ aus dem Jahr 2020 im Auftrag des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld verneinen fast 68 Prozent, dass ihre Vorfahren unter den Täter*innen während der NS-Zeit waren. Über 50 Prozent der Befragten verneinen, dass Vorfahren von ihnen Mitläufer*innen waren.

Einige Menschen möchten nichts von der Rolle ihrer Vorfahren im Nationalsozialismus wissen und haben offensichtlich einen Schutzwall des Nicht-Wissens gebildet. Ich erachte es jedoch als unsere Verantwortung, Risse in diesen Schutzwall zu bringen und Erzählungen zu hinterfragen.

- Hendrik Hering, Präsident des rheinland-pfälzischen Landtages

Zugleich gebe es aus den nachkommenden Generationen das Bestreben, die Spuren der Vorfahren wieder aufzunehmen. "Dies ist eine Chance, Erinnerungs- und Gedenkkultur in einer heute heterogenen Gesellschaft begreifbar zu machen und nachvollziehbar zu erhalten", so Hering.

Vor diesem Hintergrund hat der Landtagspräsident ein etwa 15-monatiges Forschungsprojekt initiiert. In einem zweistufigen Vergabeverfahren konnte sich die Universität Koblenz, die das Projekt hauptverantwortlich und federführend durchführt, durchsetzen. Die Koblenzer Universität kooperiert dabei mit der Hochschule Koblenz und der Touro University Berlin. Prof. Dr. Claudia Quaiser-Pohl, die neue Vizepräsidentin für Forschung und Transfer der Universität Koblenz, begrüßt das Transferprojekt als wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur. Für die wissenschaftliche und organisatorische Durchführung ist Dr. Inka Engel von der Universität Koblenz verantwortlich. Von Seiten der Hochschule Koblenz als Kooperationspartner wird das Projekt von Peter-Erwin Jansen M. A. betreut.

Online-Fragebogen und Interviews in Familien

Wir werden zunächst durch einen Online-Fragebogen ein Stimmungsbild zur Thematik in Rheinland-Pfalz erarbeiten und anschließend, darauf aufbauend, zehn Familien im städtischen und ländlichen Raum zu ihren Familiennarrativen interviewen. Die Forschungsergebnisse werden auf verschiedene Arten weiter genutzt. Wir setzen hier einen Schwerpunkt auf Citizen-Science und möchten beispielsweise eine Wanderausstellung zum Projektende konzipieren.

- Dr. Inka Engel

Citizen Science meint den aktiven Einbezug von Bürger*innen in die Prozesse des Forschungsprojektes. Auch als Bürgerwissenschaft bezeichnet, fördert Citizen Science die Partizipation und Stärkung der Zivilgesellschaft. „Heute zeigt sich ein vielschichtiger Bezugsrahmen von Erinnerungskultur und Gedächtniskonstruktionen, die einerseits aus dem zeitlichen Abstand zum Holocaust resultieren, andererseits überlagern Familiennarrative von Menschen anderer Herkünfte die Bezüge zur deutschen Vergangenheit“, so Jansen. Beide Forschende sind sich einig, dass die Erinnerung an die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus ein wichtiger Bestandteil der demokratischen Gesellschaft bleiben muss.

Als wissenschaftliche Berater stehen dem Forschungsvorhaben Prof. Dr. Peter Klein und Prof. Dr. Stephan Lehnstaedt von der Touro University Berlin zur Seite. Das Projekt mit dem Hashtag weitergedenken, so betonen die beiden Professoren und ausgewiesenen Holocaust-Forscher, habe einen wichtigen Stellenwert in der Erforschung der aktuellen Holocaust-Communication.

Die Teilnahme an der Online-Befragung ist unter https://uni-ko.de/weitergedenken möglich.