Nach der Bundestagswahl ist vor der Wahl für den erweiterten Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen. aktuell4u im Gespräch mit Julian Joswig.

Am ersten Adventswochenende im November wird bei der Landesdelegierten-versammlung von Bündnis 90/Die Grünen Rheinland-Pfalz in Mainz der neue Landesvorstand gewählt. Dort kandidiert auch Julian Joswig aus Boppard für den erweiterten Landesvorstand. Wir haben mit dem jungen Politiker über seine Kandidatur, seine Ziele für Rheinland-Pfalz und den Rhein-Hunsrück-Kreis, sowie über aktuelle Themen, wie die Koalitionsverhandlungen und die Corona-Lage gesprochen.

Spätestens am 27. September 2021, dem Tag nach der Bundestagswahl, stand es fest: Julian Joswig hat den Einzug in den Bundestag knapp verpasst. Der Moment der Enttäuschung ist jedoch keineswegs ein Moment der Niederlage. In seinem Wahlkreis holte der Politiker aus Boppard 9,7 Prozent der Erststimmen, was eine Verbesserung von 4,8 Prozentpunkten bedeutet. Das ist mit Abstand der stärkste Zugewinn unter den Direktkandidierenden. Auch seine Partei konnte sowohl im Wahlkreis Mosel/Rhein-Hunsrück, als auch in ganz Rheinland-Pfalz und der gesamten Bundesrepublik enorme Zugewinne verzeichnen. Erstmals schafften fünf Politiker*innen von Bündnis 90/Die Grünen aus Rheinland-Pfalz den Einzug in den Bundestag. Zuvor lag das Maximum bei drei Mandaten. Dies bedeutete allerdings auch, dass der sechste Listenplatz, jener von Julian Joswig, nicht gezogen hat. Dennoch ist seine berufliche und politische Laufbahn beachtlich und der Name Joswig wird nicht zum letzten Mal auf den Wahlzetteln der Republik gestanden haben. Werfen wir einen Blick zurück, auf den bisherigen Lebensweg des grünen Jungpolitikers.

Über das Mittelrheintal, durch Europa und zurück in die Heimat

Geboren in Boppard am Rhein und aufgewachsen im Ortsteil Bad Salzig, erfolgte der Besuch des Kant-Gymnasiums in seiner Geburtsstadt. Schon hier wird das politische Interesse erstmals deutlich. Joswig wird zum Schülersprecher gewählt und engagiert sich vor Ort für bildungspolitische Themen, in seiner Freizeit ist er als Fußballschiedsrichter auf den Sportplätzen der Region unterwegs. Nach der Schulzeit entschied er sich jedoch zunächst für ein Wirtschaftsstudium an der WHU in Vallendar. Das Mittelrheintal sollte aber nicht dauerhaft Joswigs Heimat bleiben. So verschlägt es ihn schon während seines Bachelorstudiums unter anderem für ein Auslandsemester in die Türkei. Das Masterstudium in Wirtschafts- & Verwaltungswissenschaften absolvierte Joswig schließlich in Mailand. Im Anschluss folgte ein weiteres Masterstudium in Paris, diesmal mit dem Schwerpunkt Diplomatie & Sicherheitspolitik. Nach dem Studium zieht es Julian Joswig zurück in seine alte Heimat. In Folge verschiedener Berufserfahrungen in Politik und Wirtschaft ist Joswig mittlerweile als Projektentwickler für Bundesbehörden und Ministerien tätig.

Macron, Baerbock, Habeck und der eigene Opa

Nachdem das Interesse an Politik schon während der Schulzeit sehr hoch war, nahm das politische Engagement erst in den vergangenen Jahren an Fahrt auf. Als politische Persönlichkeit, die er bewundert, nennt Julian Joswig Emmanuel Macron. Vor allem dessen diplomatischen Fähigkeiten, sein klares Bekenntnis zu Europa und das Vermittlungsgeschick des französischen Staatspräsidenten finden bei dem grünen Jungpolitiker Anklang. Während seines Studiums in Paris erlebte Joswig sowohl die Proteste der „Gelbwesten“, welche sich gegen die Umweltpolitik Macrons richteten, als auch die Klimabewegung hautnah mit. Als prägende Figur nennt Joswig allerdings auch seinen Großvater, der viele Jahre als parteiloser Kommunalpolitiker wirkte. Die Entscheidung, einer Partei beizutreten, traf Julian Joswig erst im Jahr 2018, als Annalena Baerbock und Robert Habeck den Parteivorsitz von Bündnis 90/Die Grünen übernahmen. Dadurch verspürte der Jungpolitiker eine Aufbruchstimmung in einer jungen, dynamischen Partei, deren basisdemokratischer Ansatz ihn ebenfalls überzeugt. Zudem verfolgen Baerbock und Habeck eine Politik, mit der sich Joswig sehr gut identifizieren kann.

Parteipolitische Laufbahn bei Bündnis 90/Die Grünen

Trotz seines recht frischen Parteieintritts vor drei Jahren hat sich Julian Joswig schon viel in der Partei eingebracht und wichtige Positionen übernommen. So arbeitete er als Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft & Finanzen Rheinland-Pfalz unter anderem an den Wahlprogrammen zur Landtags- und Bundestagswahl sowie am Grundsatzprogramm seiner Partei mit. Zudem war er auch bei der Erarbeitung des aktuellen Koalitionsvertrag in Rheinland-Pfalz nicht unbeteiligt. Somit trägt die öffentliche Wahrnehmung der Grünen in den letzten Jahren, gerade vor Ort in Rheinland-Pfalz, auch die Handschrift von Julian Joswig. Schließlich folgte die bereits angesprochene Kandidatur zur Bundestagswahl. Während er als Beisitzer bereits Mitglied des Kreisvorstands von Bündnis 90/Die Grünen Rhein-Hunsrück ist, steht nun als die Wahl in den erweiterten Landesvorstand bevor. Dank dieser Tätigkeiten möchte Joswig dazu beitragen, die Politik der Grünen im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz stärker zu etablieren. Dabei ist es ihm wichtig, das Image der „Verbotspartei“ loszuwerden und in einen engeren Austausch mit den Bürger*innen zu gelangen. Ziel ist es, zu zeigen, dass der Themenschwerpunkt seiner Partei weit über die Klimapolitik hinausgeht und durch eine umfangreiche Vielfalt geprägt ist.

Aktuelle Themen: Corona und Ampelkoalition

Neben diesen übergeordneten Zielen vertritt Julian Joswig auch klare Standpunkte in tagespolitischen Themen. In Bezug auf die Corona-Politik zeigt er sich enttäuscht über das mangelnde Handeln der GroKo, welche die Bevölkerung erneut planlos auf den Winter zusteuern lässt. Während die Rekorde der Neuinfektionen täglich gebrochen werden, spricht sich Joswig deutlich gegen eine allgemeine Impfpflicht aus. Stattdessen soll die Welle durch die Wiedereinführung von kostenlosen Schnelltests, dem Ausbau von 2G-Modellen und einer verstärkten Impfkampagne gebrochen werden. Joswig wirbt dabei sowohl für die Booster-Impfung als auch für das Impfangebot durch Busse, welches er persönlich schon in Anspruch genommen hat. Dabei betont er das unkomplizierte Verfahren bei den rheinland-pfälzischen Impfbussen, die im ganzen Land unterwegs sind und spontane Impfungen ermöglichen. Einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, wie zum Beispiel in der Pflege, würde Joswig jedoch zustimmen.

Nach der Veröffentlichung des Sondierungspapiers von SPD, Grünen und FDP zeigte sich Joswig in Summe optimistisch. Dabei erhofft er sich, dass die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen ihre Punkte aus dem Wahlkampf und dem Grundsatzprogramm, an welchem er mühevoll mitarbeitete, verstärkt umsetzen können. Bei der Verteilung der Ministerien wünscht sich Joswig seinen Parteivorsitzenden Robert Habeck als Finanzminister. Dabei betont er, dass nicht nur er, sondern auch viele europäische Partnerländer von einem Finanzminister Christian Lindner alles andere als begeistert wären. Sollten die Grünen bei diesem Ministerium jedoch leer ausgehen, fände Julian Joswig sowohl das Innen-, als auch das Außenministerium durchaus spannend, da die letzte Bundesregierung hier notwendige Reformen und klare Positionierungen gescheut hat. Für den grünen Jungpolitiker ist klar, dass Annalena Baerbock und Robert Habeck wichtige Ministerposten übernehmen werden. Zudem könnte sich Joswig auch Cem Özdemir als Verkehrsminister und Anton Hofreiter als Umweltminister vorstellen. Mit Anne Spiegel, der stellvertretenden Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, ist außerdem eine Landesministerin im Gespräch für einen Kabinettsposten, sie könnte sich Joswig ebenfalls sehr gut vorstellen.

Wer schließlich welchen Posten bekommt und ob im Koalitionsvertrag die Ziele Joswigs und seiner Partei verankert sind, werden die nächsten Wochen zeigen. Dann wird auch bekannt sein, ob Julian Joswig die Wahl in den erweiterten Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen gelungen ist. Aktuell4u wird den Weg des jungen Politikers weiterhin verfolgen.

Vielen Dank für das Interview. Das Interview führte Jan-Niklas Frohs. aktuell4u wünscht viel Erfolg für die kommende Wahl, sowie die berufliche und politische Zukunft.