Als terroristischer Hass eine Idee zerstörte.

In der Nacht vom 4. auf den 5. September jährt sich der Überfall palästinensische Terroristen auf das Olympische Dorf in München zum 50.Mal.In diesem Jahr liegen die Olympischen Spiele von München ein halbes Jahrhundert hinter uns. Vom 26. August bis 11. September fanden sie statt. Dass sie zu Ende geführt wurden, ist ein Teil der olympischen Geschichte und vor allem ein Zeichen dafür, Hass und Gewalt zu trotzen. Aber das war lange nicht klar an diesen Tagen um den 5. September 1972. 

Es ist eine ganz persönliche Geschichte. Ich durfte ehrenamtlich mit dabei sein bei diesen Spielen. Ein Traum mit 24 Jahren war es: Bewerbung, intensive Schulung und dann sechs Monate vor und nach den Spielen in München. Im Pressezentrum für Boxen und für die große Kategorie im Judo in der Rudi Sedlmayer Halle(der war einmal Präsident des Bayerischen Landessportbundes) durfte ich arbeiten und dann auch im erweiterten Pressestab von OK-Chef Willi Daume. Willi Daume, Präsident des Deutschen Sportbundes von 1950 bis 1970, hatte ich Ende der 1960er Jahre kennengelernt. Am 25. April 1970 hatte er in Mainz sein Amt als DSB-Präsident abgegeben, um sich ganz auf die Funktionen des Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees und des OK für die Spiele von München zu konzentrieren. Daume war auch Vizepräsident des IOC.

Die Spiele in München trugen seine Handschrift. Bunt und heiter begannen sie, die Eröffnung am 26. August war eine einzige Liebeserklärung an den Sport, jede Nation marschierte mit landeseigener Musik ein und Joachim Fuchsberger lieh dem Fest seine Stimme. Ich stand im Fotografengraben und war der Ansprechpartner für die Fotografen auf meiner Seite des Stadions. Viel gesehen habe ich nicht, oft konnte ich nur die Beine der einmarschierenden Athletinnen und Athleten erkennen, aber ich spürte die Atmosphäre und war stolz darauf, ein kleines Teilchen dieses großen Ganzen zu sein. Es folgten unvergessliche Tage, vor allem in der Leichtathletik: Klaus Wolfermanns Goldwurf mit dem Speer, der Geher Bernd Kannenberg gewinnt auch Gold und die 4x100m Staffel der Bundesrepublik mit der Mainzerin Ingrid Mickler Becker und Schlussläuferin Heide Rosendahl schlägt die DDR-Staffel. Alles an einem Tag. Ingrid Mickler-Becker und Klaus Wolfermann sind persönliche Freunde von mir geworden.

Am Morgen des 5. September 1972 wird die olympische Idylle auf brutale Weise zerstört. Palästinensische Terroristen überfallen das olympische Dorf, töten zwei israelische Sportler und nehmen neun weitere israelische Sportler in ihre Gewalt. In der Nacht darauf misslingt auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck der Versuch der Befreiung. Die Terroristen töten alle neun Sportler und einen Polizisten und auch fünf der acht Attentäter sterben.

Olympia ist im Herzen getroffen. Die Spiele von München, die 36 Jahre nach den Nazispielen von Berlin ein neues Deutschland zeigen sollten, brechen in sich zusammen. Für Willi Daume ist die Idee verloren, die von Heiterkeit, Treffen der Jugend der Welt, Freundschaft, Solidarität. Daume ist für den Abbruch der Spiele. Ganz anders sieht das der amerikanische Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Avery Brundage. Er ist geprägt von der amerikanischen Grundeinstellung, Terroristen generell die Stirn zu bieten und niemals die Bühne zu überlassen. Vor fast 80.000 Zuschauern im Olympiastadion, darunter Bundespräsident Gustav Heinemann, Innenminister Hans-Dietrich Genscher und Münchens Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel prägt Brundage den Satz, der fortan zur Olympischen Geschichte gehören wird: „The Games must go on“.

An diesem 6. September 1972, einen Tag nach dem Attentat, hatte ich im Olympiastadion wieder die Betreuung der Fotografen als Aufgabe. Ich war wieder im Graben des großen Stadions und sehen konnte ich wieder kaum etwas. Aber das, was gesagt wurde, es hat mein späteres Leben in der Welt des Sportes geprägt.

Foto: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3122638