Der Schulsport in Deutschland stecke in der Krise titelt dieser Tage eine Zeitung. Das ist eine nicht vertretbare Fehleinschätzung  des wahren Tatbestandes. Der Schulsport bei uns steckt nämlich nicht aktuell in der Krise, die Krise ist vielmehr ein Dauerzustand seit Jahrzehnten.

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Der Schulsport in Deutschland stecke in der Krise titelt dieser Tage eine Zeitung. Das ist eine nicht vertretbare Fehleinschätzung  des wahren Tatbestandes. Der Schulsport bei uns steckt nämlich nicht aktuell in der Krise, die Krise ist vielmehr ein Dauerzustand seit Jahrzehnten. Von Ausnahmen abgesehen, die alle etwas mit außergewöhnlich engagierten Schulleitern und Sportlehrern zu tun haben.

Ein Mangel an Sportlehrern, eine teilweise Überalterung der Lehrer im Sport und zu wenige Sportanlagen sind Indizien für den miserablen Gesamtzustand des Schulsportes, der doch pädagogisch und von seiner sportlichen und sozialen Ausrichtung her so wichtig wäre. Entscheidend ist aber wohl der politische Wille derer, die für Schulen und damit auch für das Sportangebot zuständig sind. Der Schulsport taugt nur noch für Sonntagsreden, die längst keiner mehr hören und abnehmen will.

Die "Pommes-Frites-Generation"

In den 1990er Jahren, Rudolf Scharping war gerade Ministerpräsident geworden, gab es in Rheinland-Pfalz eine heftige Diskussion über die damals erfolgte Streichung der dritten Sportstunde in den Schulen. Das Thema kam auf die Tagesordnung einer Mitgliederversammlung des Landessportbundes und es ging in der Diskussion zwischen Sport und Politik hoch her. Der Sport hatte exzellente Verbündete. Prof. Dr. Bodo K. Jüngst von der Kinderklinik der Universitätsklinik Mainz hatte gerade eine Studie vorgelegt, in der er die körperlichen Mängel vieler Kinder und Jugendlicher als Folge fehlender Bewegung nachweisen konnte.

„Wir hatten in der Untersuchung Kinder, die nicht mehr eine Treppe hochgehen konnten, ohne sich am Geländer festzuhalten“, berichtete Prof. Jüngst, der ein sofortiges Umdenken im Schulsport forderte. Sport in der Schule wirke viel weiter als nur gegen Bewegungsmangel, er habe auch eine gewaltige soziale und gesellschaftliche  Bedeutung etwa im Abbau von Aggressionen und vor allem als ein schulisches Gegengewicht zu den Fächern der kognitiven Bildung. Von einer degenerierten „Pommes Frites-Generation“ sprach Prof. Jüngst damals und er formulierte auch, dass die Sportvereine, so wichtig sie auch seien, kein Ersatz für fehlenden Schulsport sein können.

Schulsport ist in Deutschland ein Mangelfach
 

Geändert hat sich auch 30 Jahre später nichts oder allenfalls punktuell wenig. Es gibt großartige Sportlehrer und es gibt engagierte Verantwortliche in den Schulen, die den Wert von Sport begreifen. Aber das reicht nicht. der Mangel, der einer ganzen Gesellschaft wehtut ist nur mit politischer Einsicht, mit mehr Lehrern im schulischen Bereich des Sportes zu beheben. Auch mit intelligenten Modellen in der Zusammenarbeit von Vereinen und Schulen.

Prof. Berno Wischmann, Gründer des Fachbereiches Sport an der Johannes –Gutenberg-Universität in Mainz, Ausbilder vor allem auch von Sportlehrer, hat in einem Aufsatz in den 1980er Jahren geschrieben, wer  weiter zulasse, dass der Sport für die Kinder und Jugendlichen in den Schulen so stiefmütterlich behandelt werde, der versündige sich an einer ganzen Generation. Berno Wischmann wäre heute 112 Jahre. Und was er vor mehr als 40 Jahren schrieb, es gilt auch heute noch. Schulsport ist in Deutschland ein Mangelfach.