"Aber was ist denn mit..." ist das Ende jeder sinnvollen Diskussion und der Übergang zu einer endlosen Debatte, wieso man etwas tun sollte, wenn andere es doch eben anders machen.

"Aber was ist denn mit..." ist das Ende jeder sinnvollen Diskussion und der Übergang zu einer endlosen Debatte, ob jedes Elend dieser Welt gegen ein anderes aufgewogen werden muss.

Vor allem beliebt bei Politikern oder Unternehmen mit fragwürdigen Handlungspraktiken ist der Konter „Ja, aber was ist denn mit…?“. Der sogenannte „whataboutism“ ist nach dem „Oxford Living Dictionary“ eine Praxis, um einer schwierigen Frage durch eine Gegenfrage oder einen Vergleich auszuweichen. Für diese Art von Nicht-Argumentation gibt es viele Beispiele und wird euch im Alltag garantiert auch aufgefallen sein. Fordern wir in Deutschland strengere Klimamaßnahmen, heißt es „Ja, aber was ist denn mit China“. Diese Art der Argumentation ist eine regressive und wenig zum Diskurs beitragende Möglichkeit, um vor allem Konsequenzen für sich selbst aus dem Weg zu gehen. Häufig lässt sich diese Argumentationsweise bei Themen finden, in denen die argumentative Überlegenheit eigentlich bereits gegeben ist, eine Einsicht zur Umsetzung allerdings aufgrund von daraus folgenden Sanktionen für das eigene Wohlbefinden nicht gezeigt wird. Um Progress zu schaffen, muss es immer jemanden geben, der den ersten Schritt macht, ohne mit dem Finger auf andere zu zeigen um seine eigene Trägheit rechtzufertigen.

Sowjetische Propaganda neu angestrichen

Populär wurde der Begriff „whataboutism“ in einem Artikel des „The Economist“ aus dem Jahr 2008. Der Autor Edward Lucas bezeichnete so die sowjetische Methode, Zustände im eigenen Land zu verharmlosen, in dem Vergleiche zu ähnlichen Vorkommen in den westlichen Staaten gezogen wurden. Auch heute ist diese Nicht-Argumentationsweise übliche Praxis, beispielsweise bei dem Vergleich der Annexion der Krim mit der militärischen Auseinandersetzung im Kosovo. Die Zwickmühle dieser Art von Argumentation ist, dass viele politische Ereignisse in der Vergangenheit tatsächlich unterschlagen wurden und medial weniger aufgearbeitet wurden. Es ist richtig, sich auch mit der Ethik militärischer Operationen von westlichen Staaten auseinanderzusetzen. Der Anspruch muss sein, diese unter eine ebenso kritische Prüfung zu stellen, wie die von nicht-verbündeten Staaten. Es ist allerdings nicht hilfreich für die Problemlösung, wenn man immer wieder auf andere Probleme hinweist. Sollte man Chinas Umgang mit der Ethnie der Uiguren kritisieren? Ja, selbstverständlich. Sollte man den Umgang der USA mit den Gefangenen im Lager Guantanamo kritisieren? Ebenfalls ein klares Ja. Leiden, Krieg und Menschenverachtung finden auf der ganzen Welt statt, heißt jedoch nicht, dass diese sich gegenseitig rechtfertigen sollten.

Mitgefühl zeigen widerspricht keiner Logik

Die Aktualität des „whataboutism“ zeigt sich im Ukrainekrieg. Zeigt jemand übermäßiges Mitgefühl mit den Ukrainern, so wird gerne danach gefragt, ob man auch von den kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten so betroffen wäre. Krieg findet zu jeder Zeit an irgendeinem Ort statt. Die erhöhte Betroffenheit und Solidarität durch die Nähe der Ereignisse und den Einfluss auf das eigene Leben widersprechen keiner Logik, auch wenn es die Nutzer des „whataboutism“ gerne so darstellen. Es wäre wünschenswert aus den Bildern, die uns tagtäglich aus der Ukraine erreichen, ein gewisses Mitgefühl für Staaten im Nahen Osten zu entwickeln und zu verstehen, dass solche Dinge für viele unschuldige Familien schon lange geschehen. Jemandem jedoch wegen seines Mitgefühls niederzumachen, weil er nicht bei jedem anderen Krieg auch traurig ist, hilft im Endeffekt niemandem.