Die Situation in den Kindertagesstätten des Neuwieder Kreisjugendamtsbezirks spitzt sich zu. Auch wenn sie noch nicht so eskaliert ist, wie in manchen Städten, schlägt Landrat Achim Hallerbach jetzt Alarm. Er fordert, „dass die Rahmenbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher geändert und angepasst werden müssen, damit sich wieder mehr Menschen dem Beruf zuwenden“. Ebenso fordert Hallerbach mehr Wertschätzung und Respekt für diese wertvolle Arbeit und den gesamten Beruf.
Denn hier liegt das Hauptproblem: Auf dem Arbeitsmarkt sind kaum mehr Erzieherinnen und Erzieher zu finden, Stellenausschreibungen verlaufen mittlerweile häufig erfolglos. Aktuell kommt ein hoher Krankenstand verschärfend hinzu.
Der Fachkräftemangel stellt die Kitas vor große Herausforderungen und gefährdet die Gewährleistung des Rechtsanspruchs.
- Achim Hallerbach, Landrat vom Kreis Neuwied
Die Kitas pfeifen so aus dem letzten Loch und müssen aufgrund des Personalmangels teilweise Aufnahmestopps verhängen - auch wenn die Kinder eigentlich einen Rechtsanspruch hätten. Dass dieser nicht immer erfüllt werden kann, ärgert Landrat Achim Hallerbach umso mehr, da der Kreis Neuwied in den vergangenen Jahren dank intensiver Bemühungen sein räumliches Platzangebot deutlich erhöht hat und auch weiterhin viele Millionen Euro in das Kita-Ausbauprogramm investiert.
„Wir machen unsere Hausaufgaben“, sagt er und verweist darauf, dass im Kreis Neuwied derzeit an acht Standorten Erweiterungs- bzw. Neubauten laufen oder ganz konkret geplant sind. So werden in Asbach (+13), Windhagen (+40), Kleinmaischeid (+10), Leubsdorf (+10), Puderbach (+53), Rengsdorf (+5), Roßbach (+20) und Erpel (+28) insgesamt 179 Plätze hinzukommen.
Außerdem habe der Kreis Neuwied die „große Aufgabe“ der vom Land vorgegebenen Kita-Novelle, nach der allen Kindern eine mindestens siebenstündige Betreuung am Stück inklusive Mensa-Verpflegung angeboten werden soll, erfolgreich umgesetzt.
Grundsätzlich ist diese Verbesserung der Angebotsqualität natürlich sinnvoll. Wir freuen uns, sie den Eltern anbieten zu können. Aber auch das hat wieder dazu geführt, dass wir mehr Personal brauchen. Und das ist eben kaum zu bekommen.
- Achim Hallerbach, Landrat vom Kreis Neuwied
Parallel dazu steigt der Bedarf an Plätzen weiter und weiter, weil der Kreis Neuwied eine beliebte Zuzugsregion ist. Vor allem im Norden ist der Druck groß, weil Familien aus dem Raum Köln/Bonn nach Rheinland-Pfalz ziehen, wo sie sich die sonst teils beträchtlichen Kita-Gebühren sparen. Außerdem hat der Kreis Neuwied in diesem Jahr überproportional viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Unter ihnen ist der Anteil der Minderjährigen auch im Kindergartenalter besonders hoch.
Wie Kerstin Neckel als zuständige Kita-Sachbearbeiterin der Kreisverwaltung in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses ausführte, ergab sich aus dem Bedarfsplan für 2022 zum 1. September ein Angebot von 5420 Kita-Plätzen in den sieben Verbandsgemeinden. Damit sollten statistisch 4,5 Jahrgänge abgedeckt sein.
Da jedoch in den vergangenen neun Monaten fast 450 Kinder in der maßgeblichen Altersgruppe hinzukamen, liegt die Abdeckung nur noch bei 4,3 Jahrgängen. Angestrebt sind dagegen 4,75 Jahrgänge. Nach heutigem Stand wären dafür rund 6000 Plätze notwendig, also circa 400 mehr als nach Abschluss der laufenden Ausbauten.
Konkret ist daher mit den Beteiligten an neun Standorten bzw. Kita-Zweckverbänden kommuniziert, dass Erweiterungen notwendig sind: Bad Hönningen/Rheinbrohl/Hammerstein, Dierdorf, Großmaischeid, Dattenberg, VG Puderbach, Rengsdorf/Hardert/Bonefeld, Melsbach, Waldbreitbach, Rheinbreitbach. Ob dafür dann genug Personal gefunden werden kann, ist unter den aktuellen Bedingungen allerdings stark zu bezweifeln.