Hans-Peter Schössler zieht Bilanz zu den Paralympics in Tokio.

Koblenz / Mainz |

Eine Bilanz der Teilnehmer aus unserer Region an den Paralympics in Tokio lässt sich schon wenige Tage vor dem Ende der Spiele ziehen. Denn die Wettbewerbe für die Sportlerinnen und Sportler aus dem Norden des Landes sind schon vorbei. Medaillenmäßig ist nichts dabei herumgekommen, es sei denn, man rechnet die Radfahrerin Kerstin Brachtendorf hinzu, die aus Ettringen bei Mayen stammt, aber für einen Verein aus Cottbus startet. Die beiden übrigen Vertreter, die Sitzvolleyballer Francis Tonleu und Heiko Wiesenthal, sind mit ihrem Team in der Gruppenphase ausgeschieden. Das Beste gegeben haben sie,  aber es reichte nicht.

Jetzt sind Medaillen natürlich nicht alles. Aber wer kommt an ihnen vorbei. Und noch eine Zahl macht wenig Mut: von den 89 Männern und 66 Frauen des deutschen Teams in Tokio kamen gerade mal zwei, die Sitzvolleyballer, aus dem Großraum Koblenz einschließlich der  umliegenden Landkreise. Das ist wenig, zu wenig. Hat der Behindertensportverband des Landes den Spitzensport zu wenig auf dem Schirm? Man wird Fragen stellen dürfen und nach klugen Antworten suchen. Sollte der Verband enger mit Vereinen von nichtbehinderten Sportlern zusammenarbeiten? Etwa im Tischtennis mit dem TTC Grenzau, im Rudern mit Rhenania Koblenz und der RG Treis-Karden, in der Leichtathletik mit Neuwied.In anderen Bundesländern passiert das längst. Valentin Maus, Goldmedaillengewinner von Tokio im Tischtennis, trainiert und startet für den deutschen  Tischtennismeister Borussia Düsseldorf. Und andere Spieler auch.

Das ist aber nur die eine Seite, die regionale. Und die Anmerkungen  sollen auch eher aufbauen, zu neuen Gedanken und Initiativen anregen. Ansonsten sind die Paralympics eine großartige Sache, das Schaufenster eines wunderbaren  Behindertensportes. Seit den Paralympics 1988 in Seoul finden die Spiele der Behinderten immer an dem Ort Olympischer Sommer-und Winterspiele statt. Das ist eine der besten Entscheidungen des Sportes überhaupt. Eine zweite wesentliche Veränderung im Umfeld dieses so wertvollen Sportes ist der Einstieg der Medien, vor allem des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in die Darstellung der Paralympics. Man könnte sagen, es sei ein Teil ihres öffentlich-rechtlichen Auftrages, aber es muss erst auch gemacht werden. Dass die Spiele von Tokio mehrere Stunden live am Tage übertragen wurden, ist eine Bereicherung, weil es offenbart, wie großartig und einzigartig  die Leistungen der Sportlerinnen und Sportler  mit Behinderung aus aller Welt sind.

Dass dieses öffentlich machen des Behindertensportes auch Begierden nach Befriedigung nationalen Prestigedenkens nach sich zieht, ist der Preis, den man in Kauf nehmen muss. Für China beispielsweise, das allen anderen Ländern weit enteilt ist im Medaillenspielgel, ist das natürlich auch eine Bestätigung des politischen Systems. Aber dieses Denken hat nicht der Behindertensport erfunden, denken wir nur an die Sportjahre der DDR.  Der Sport ist immer auch ein Vehikel der Politik. Das gilt längst auch für den Behindertensport. 

Unsere Sportlerinnen und Sportler haben uns in Tokio mit großem Leistungen und einem grandiosen Auftreten verwöhnt. Unsere Behindertensportler waren zudem medaillenträchtiger als die nicht behinderten vor einigen Wochen. Aber das soll nicht der Maßstab sein.

Schon in drei Jahren finden die Spiele in Paris statt. Ganz nahe bei uns. Es ist eine Chance, dann vielleicht auch den ein oder anderen mehr aus unserer Region dort zu erleben. Es täte dem Sport der behinderten Menschen gut.