Die Bundesjugendspiele, einst ein symbolischer Wettkampf des Schulsports in Deutschland, stehen vor einer Neuausrichtung, bei der der Wettbewerbscharakter gemindert wird – eine Entscheidung, die kontroverse Meinungen hervorruft.

Region |

Die Bundesjugendspiele habe ich in bester Erinnerung. Nicht nur der Urkunden wegen, obwohl es einige davon gab. Es war ein ganzer Tag Sport und es inspirierte. Alle Lehrer waren eingebunden, wir Schüler sowieso, damals noch Volksschüler und nicht Grundschüler.

Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass wir hämisch auf die geblickt haben, die weniger schnell liefen, weit sprangen oder die Kugel gestoßen haben. Und wer keine Urkunde bekam, der war deshalb nicht weniger wert und hat es im nächsten Jahr wieder versucht. Wettbewerb und Leistungsschau im Kleinen war es schon, es war womöglich der Tag im Schuljahr, wo objektiv am ehesten messbar war, was die Schülerinnen und Schüler zu leisten vermochten.

Damit ist jetzt bald Schluss. Ab dem nächsten Schuljahr sind die Bundesjugendspiele an den deutschen Grundschulen kein Wettkampf mehr. Die Punktetabelle wird abgeschafft, so haben es das Bundes Familienministerium und die Kultusministerkonferenz 2021 beschlossen. Wettbewerb ja, aber Zeiten und Weiten sollen nicht so wichtig sein und nur relativ zu den Mitschülern gemessen werden. Dass den Kindern die Lust auf Wettkampf Spaß macht und der Ehrgeiz ein Teil unserer DNA ist, wird geflissentlich übersehen. Auch dass Fairness am besten im Wettbewerb erlernbar ist. Nur wo es um etwas geht, ist Fairness gefragt, wo die Leistung beliebig ist, da ist auch Fairness kein Kunststück. Fehlt nur noch, dass eine Quote mit Blick auf die Urkunden eingeführt wird.

Urkunden für alle?

Kuschelpädagogik sei das, habe ich gelesen. Nach dem Motto: Urkunden für alle. Es könnte ja im schlimmsten Falle sein, dass ein Wissenschaftsgremium erforschte, dass die Schülerinnen und Schüler, die bei den Bundesjugendspielen keine Urkunde geschafft haben, in eine tiefe Depression fallen und auch in ihren Lieblingsfächern  Deutsch oder Biologie einbrechen. Dann in der Tat sind die Bundesjugendspiele  ein gefährlicher Stoff.

Diese Entscheidung passt zur Misere des Schulsportes. Es setzt dem Ganzen die Krone auf. Sport ist eben ohne Leistung nicht denkbar. Vor mehr als 30 Jahren gründete sich in Hessen ein Sportverein, der in seiner Satzung festgeschrieben hatte, dass  beim Fußball keine  Tore zählten  und beim Schwimmen keine Zeiten gemessen wurden.  Das wurde wie eine revolutionäre Neuerung gefeiert. Bis nach einigen Monaten die ersten Mitglieder in dem Verein doch Lust darauf bekamen, zu zählen, wie viele Tore sie erzielt hatten und wie schnell sie geschwommen waren. Der Verein blieb, musste aber seine Satzung ändern. Sport ohne Leistung war doch Kappes.

Und Bundesjugendspiele ohne Stoppuhr und Urkunde sind es auch. Warum etwas nehmen, was tief in uns drinsteckt. Und wenn einige die Urkunde nicht schaffen, was ändert das schon. Auch in anderen Fächern gibt es gute und weniger gute Schüler. Misserfolge gehören auch zum Leben, das den Kindern beizubringen ist wertvoller und wichtiger als den Bundesjugendspielen ihren Kick zu nehmen.