Die Martinsburg in Lahnstein, eine historische Anlage mit Baubestand aus dem Spätmittelalter, hat eine vielfältige Geschichte, der man erst seit wenigen Jahren genauer auf der Spur ist.

Die Martinsburg oder das Martinsschloss, wie die an der Südwestecke der ehemaligen Oberlahnsteiner Stadtbefestigung befindliche Anlage von den Lahnsteinern heute genannt wird, zeigt einen Baubestand, der vom Spätmittelalter bis ins frühe 18. Jahrhundert reicht und nie zerstört wurde.

Ihr Name „Martinsburg“ geht vermutlich auf eine Verwechslung Christian von Strambergs („Rheinischer Antiquarius“) mit der Mainzer Martinsburg zurück. Der Name könnte aber auch im Volksmund entstanden sein. Erzbischof Berthold, Graf von Henneberg, ließ nämlich im Jahr 1498 einen St. Martin – sich selbst als Bischof sowie sein Wappen – oberhalb des Burgtores auf die Schildmauer malen.

Neue Forschung: Burg älter als gedacht

Bis vor wenigen Jahren ging die Forschung davon aus, dass der Bau der hiesigen Burganlage bald nach 1298 begonnen wurde, als der Bopparder „Friedezoll“ durch den Mainzer Erzbischof nach Oberlahnstein verlegt worden war. Dieser Zoll wurde hier nachweislich erstmals im Jahr 1300 erhoben und war sicherlich ein Grund für die Errichtung der Zollburg. Doch keine Hinweise in den Schriftquellen oder im überlieferten Baubestand belegen diese These.

Der Lahnsteiner Lokalhistoriker Michael Eisenbarth konnte nachweisen, dass in beiden Stirnwänden des tiefen Kellers noch Mauerreste stecken. Dabei handelt es sich zweifellos um die ältesten sichtbaren Mauerteile. Im Osten ist das Fundament eines kleinen Turms belegt, während die Mauer im Westen bisher keiner Funktion zugeschrieben werden kann. Der Keller befand sich ursprünglich unter einem 1719 abgerissenen kleinen Burghaus. Dies kann unter anderem der geringen Wandstärke (75 cm) der Zeit vor Einführung der Feuerwaffen zugeschrieben werden.

Der Lahnsteiner Historiker Alexander Thon kommt 2017 zum Ergebnis, dass die Zollburg bereits vor 1273 errichtet wurde: Mit einer Urkunde vom 17. Januar 1273 schlossen Erzbischof Werner von Mainz und der rheinische Pfalzgraf Ludwig II. in „castro Loynstein“, also der Burg Lahnstein, ein gegenseitiges Schutzbündnis und vereinbarten darüber hinaus, dass der Erzbischof eventuelle zukünftige Streitigkeiten zwischen Ludwig einerseits und den Erzbischöfen von Köln und Trier andererseits schlichten solle.

Thon übersetzt die Wörter „castro Loynstein“ mit Burg Lahnstein und weist nach, dass es sich dabei um die heute als Martinsburg bezeichnete Anlage am Rhein und nicht um die Höhenburg Lahneck handelt. Auch kann nicht die Siedlung Oberlahnstein gemeint sein, denn diese erhielt erst nach Verleihung der Stadtrechte im Jahr 1324 ihre Befestigung durch die heute noch in Teilen vorhandene Stadtmauer, die die Martinsburg an der Südwestecke miteinbindet.

Mit dem Bau der Höhenburg wurde bereits wenige Jahre nach 1220 zum Schutz des Bergbaus begonnen, als Erzbischof Siegfried II. von Mainz von dem römisch-deutschen König Friedrich II. die Rechte zum Silberabbau für den Berg Tiefental (Friedrichssegen) erhalten hatte, und wird in den Quellen immer mit „Lahneck“ bezeichnet. Deren Bergfried ist auf um 1233/34 datierbar, die erste gesicherte Nennung in den Schriftquellen stammt aus dem Jahr 1245. Ein Burggraf von Lahneck ist schon 1258 nachweisbar (Siegfried), danach Friedrich von Schönburg (1283), der sich seit 1276 aber auch als Burggraf von Lahnstein bezeichnet.

Unterkunft für Mainzer Erzbischöfe

Die Martinsburg diente nicht allein zur Erhebung des Zolls, sondern vor allem als Quartier für die Mainzer Erzbischöfe. Dies war der besonderen Lage Oberlahnsteins geschuldet, die seit der Wende zum 10. Jahrhundert eine Exklave des Erzstifts Mainz war, umrahmt von dem Erzstift Trier im Norden und Westen (Niederlahnstein, Kapellen-Stolzenfels) sowie der Pfalzgrafschaft bei Rhein (Braubach) im Süden. Auch das Erzstift Köln hatte mit Rhens auf der anderen Rheinseite Besitzungen, wodurch das Rhein-Lahn-Eck mehrfach im Zentrum von Handlungen mit reichsweiter Bedeutung stand – so auch mit der Absetzung von König Wenzel im Jahr 1400. Mehrfach sind Zusammenkünfte der rheinischen Reichsfürsten, ab 1356 Kurfürsten genannt, sowohl in Rhens als auch in Oberlahnstein nachweisbar. Bei den Fürstentreffen am Königsstuhl hatten die Mainzer Erzbischöfe mit ihrem großen Gefolge die Burg Lahnstein aufgesucht. Es ist anzunehmen, dass der Kurfürst dafür die Burganlage am Rhein der Höhenburg schon wegen der Raumkapazität vorgezogen hat.

In Zollabrechnungen des 15. Jahrhunderts wird die Burganlage dann „Schloß Lanstein“ oder „Schloß loinsteyn“ benannt. Das Schloss war bis zum Ende von Kurmainz eine Nebenresidenz der Mainzer Erzbischöfe. 1802/03 fiel es an den Fürst von Nassau-Usingen, 1806 an den Herzog von Nassau und 1866 an Preußen. Ab 1816 residierte wieder die Steuerbehörde im Schloss. Auch nachdem das Land Rheinland-Pfalz das Schloss 1975 an einen Privatmann verkaufte, blieb das Zollamt vorerst erhalten und wurde erst Ende November 1990 geschlossen und nach Koblenz verlegt. Heute befinden sich moderne Wohnungen und Geschäftsräume in der Burg sowie im Erdgeschoss des Nordflügels das Lahnsteiner Fastnachtsmuseum.