Am 14. Juli jährt sich die Flutkatastrophe zum ersten Mal. Die IHK Koblenz hat diesbezüglich zu einem Gespräch über den Stand der Wirtschaft eingeladen.

Koblenz/Ahrtal |

Am 14. Juli jährt sich die Flutkatastrophe im Ahrtal zum ersten Mal. Damals wurden auch rund 800 IHK-Mitgliedsbetriebe stark beschädigt oder zerstört. Wie die Wirtschaft heute dasteht, darum ging es im Gespräch mit der IHK Koblenz.

Im letzten Jahr sind zahlreiche Ideen für den Wieder- bzw. Neuaufbau bei den Zukunftskonferenzen entstanden. Bei all den guten Ideen ist es nun entscheidend, dass sie nicht vergessen, sondern zeitnah umgesetzt werden. Straßen, Wege, Kanalisation und Fernwärme müssen jetzt in Stand gesetzt werden. Nur so können Handel und Tourismus wiederbelebt werden. - Jörg Schäfer (IHK-Vizepräsident)

Frist endet Mitte nächsten Jahres

Die Unternehmen ruft Jörg Schäfer dazu auf, ihren Antrag auf Wiederaufbauhilfe zeitnah bei der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) einzureichen. Insgesamt sind 265 Anträge von betroffenen Unternehmen und Freiberuflern aus ganz Rheinland-Pfalz bei der ISB eingegangen. Die Frist zur Antragsstellung endet am 30. Juni 2023.

Insgesamt hat die IHK im Laufe des Jahres mehr als 3000 Beratungsgespräche geführt, sowohl über die IHK-Hochwasser-Hotline als auch in der IHKRegionalgeschäftsstelle oder bei den Betrieben vor Ort. Individuelle Fälle bespricht die IHK in regelmäßigen Austauschrunden direkt mit der ISB, dem Wirtschaftsministerium und weiteren Kammern.

In dreißig Betrieben konnten ehrenamtliche IHK-Lotsen mit ihrer Expertise als ehemalige oder auch aktive Geschäftsleute und Führungskräfte, Hilfe vermitteln, wo sie dringend gebraucht wird. Speziell für Unternehmen, die bisher noch keinen Antrag auf Aufbauhilfe gestellt haben, führt die IHK gemeinsame, kostenfreie Beratungstage mit der HwK, dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz sowie der Investitions- und Strukturbank RheinlandPfalz (ISB) in der Ahr-Akademie in Bad Neuenahr-Ahrweiler durch.

Das von der Politik gegebene Versprechen von unbürokratischer und schneller Hilfe habe hohe Erwartungen geweckt.

Doch mittlerweile merken die Unternehmen, dass diese nur teilweise erfüllt werden und vieles wieder den gewohnten, bürokratischen Genehmigungsprozessen nachgeht. - Anne Glück (IHK-Regionalberaterin)

Vor allem im Baurecht müssten Entscheidungen schneller getroffen werden.

Entlastung für die Unternehmen

Eine Entlastung für die Unternehmen wäre eine Verlängerung der Unterstützungszahlungen, wie das Kurzarbeitergeld oder der Ausgleich der Einkommenseinbußen.

Die Fristen von zwölf bzw. sechs Monaten reichen nicht aus. Viele Unternehmen können wegen der großen baulichen Herausforderungen erst nächstes Jahr wieder eröffnen. Doch hier versteckt sich die Politik hinter EU-Richtlinien, statt Perspektiven, wie beispielsweise neue Sonderförderprogramme, zu eröffnen. - Anne Glück (IHK-Regionalberaterin)

Ein weiterer Faktor, der den Wiederaufbau für Unternehmen erschwert, sei die Kostenerstattung von lediglich 80 Prozent des Zeitwerts:

Es ist unrealistisch, damit ein Unternehmen wieder aufzubauen, die Betroffenen müssen hohe Kredite aufnehmen. - Anne Glück (IHK-Regionalberaterin)

Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Ahrtal:

Vor allem Betriebe aus dem Hotel- und Gastronomiebereich haben hohe Kredite aufgenommen, um ihren Gästen ein Wohlfühlerlebnis zu ermöglichen und das Ahrtal in neuem Glanz erscheinen zu lassen. Überall gibt es Angebote zu neuen Wanderwegen oder Ausflugszielen, die nicht von der Flut betroffen waren, da alles andere zu lange dauert. - Anne Glück (IHK-Regionalberaterin)

Für den Handel ist es nun besonders wichtig, dass das touristische Angebot wieder angenommen wird.

Viele haben neue Konzepte ausgearbeitet, mit denen sie an den Start gehen oder auch den Onlinehandel stärker in den Fokus genommen. Hier ist es besonders wichtig, dass Straßenzüge nicht genau dann wieder aufgerissen werden, wenn die Händler gerade wieder startklar sind. - Jörg Schäfer (IHK-Vizepräsident)

Hochwassersichere Standorte dringend benötigt

Die Industrie ist auf hochwassersichere Gewerbegebiete angewiesen. Auch hier klagen die Unternehmen über zu lange Entscheidungswege. Außerdem machen sich Lieferschwierigkeiten bei den Maschinen bemerkbar:

Hier geht der Dank an viele überregionale Betriebe, die sich sehr solidarisch gezeigt haben und selbst ihre Mitbewerber mit Lagerflächen und Maschinenkapazität unterstützt haben. Nun gilt es aber auch vor Ort neue Gewerbeflächen auszuweisen. - Anne Glück (IHK-Regionalberaterin)