Nachdem sich Spiegel am Sonntag noch öffentlich entschuldigte, erfolgte am Montag der Rücktritt.

Zehn Tage nach der Flutkatastrophe im Ahrtal hatte Anne Spiegel, damals noch als Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, gemeinsam mit ihrer Familie einen vierwöchigen Urlaub angetreten. Dies wurde ihr nun zum Verhängnis. Damit ist Volker Wissing (FDP, Verkehrsminister) der letzte verbliebene Bundesminister aus Rheinland-Pfalz.

Am Ende wurde der Druck zu groß. Auch eine emotionale Entschuldigung konnte den Rücktritt des jüngsten Kabinettsmitglieds, gemeinsam mit Annalena Baerbock, nicht mehr verhindern. Nur rund vier Monate nach der Vereidigung als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, muss Anne Spiegel ihr Amt schon wieder niederlegen. Die Vergangenheit hat sie eingeholt und der Umgang mit dieser hat ihr die Situation nicht erleichtert.

Die Ursachen für den Rücktritt liegen im Sommer 2021. Damals war Spiegel noch Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz sowie für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz. Im Juli wurde das Ahrtal von einer fürchterlichen Flutkatastrophe heimgesucht. Der Landesregierung wurde anschließend vorgeworfen, nicht rechtzeitig auf die Ereignisse reagiert zu haben. Stattdessen sei Spiegel um ihr Image besorgt gewesen, wie aus SMS-Nachrichten mit ihrem Pressesprecher hervorgeht.

In den vergangenen Tagen wurde schließlich bekannt, dass Spiegel zehn Tage nach der Flutkatastrophe einen vierwöchigen Urlaub mit ihrer Familie in Frankreich angetreten hat. Zuvor richtete sie noch einen Krisenstab im Ministerium ein und unterbrach ihren Urlaub, um sich vor Ort über den Stand der Aufräumarbeiten zu informieren. Die CDU forderte daraufhin ihren Rücktritt.

Am Sonntagabend bat Anne Spiegel öffentlich um Entschuldigung. Sie begründete die Notwendigkeit des Urlaubs mit der Erkrankung ihres Mannes nach einem Schlaganfall und ihren vier Kindern, die besonders unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie litten. An Videoschalten des Kabinetts hatte sie während des Urlaubs, wie sie zuvor angab, nicht teilgenommen. Auch dies wurde in der Entschuldigung klargestellt.

Entschuldigungen sind auch in der Politik kein Novum. Allerdings überraschten die Emotionalität und Offenheit der grünen Politikerin. Doch am Ende wirkte Spiegel auch bei diesem Auftritt überfordert. Zum Ende ihres Statements wandte sie sich hilflos zu ihrem Presseteam und sagte: "Jetzt muss ich’s noch irgendwie abbinden."

Nur einen Tag nach der öffentlichen Stellungnahme erfolgte der Rücktritt. Dieser wurde damit begründet, dass sich Spiegel dem politischen Druck beuge. Von welcher Seite dieser Druck kam lässt sie offen. Klar ist, dass sie von der Opposition mehrfach zur Amtsniederlegung aufgefordert wurde. Es ist allerdings auch davon auszugehen, dass ihr der Rücktritt innerhalb der eigenen Partei nahegelegt wurde. Immerhin stehen im Mai wichtige Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein an. Je länger sich die Causa Spiegel hingezogen hätte, umso größer wäre wohl auch der Schaden für die Grünen bei den bevorstehenden Wahlen gewesen.

Unmittelbar nach dem Rücktritt hat schon die Suche nach der Nachfolge begonnen. Die Proporz- und die Paritäts-Regel engt die Auswahl entscheidend ein. Nach der Proporz-Regel wollen die Grünen ihre Ministerien unter den Parteiflügeln aufteilen. Baerbock, Habeck und Özdemir gehören dem Realo-Flügel an, Lemke und Spiegel dem linken Parteiflügel.

Die Paritäts-Regel wurde bei den Koalitionsverhandlungen beschlossen und besagt, dass der Anteil an Frauen und Männern im Bundeskabinett gleich sein soll. Demnach sind die Grünen also auf der Suche nach einer weiblichen Nachfolgerin, die dem linken Parteiflügel angehört. Eine Rochade, die Anton Hofreiter zum Landwirtschaftsminister und Cem Özdemir zum Familienminister befördert, wird es also nicht geben.

Auch die bisherigen Staatssekretäre im Familienministerium kommen nicht in Frage. Sven Lehmann wegen seines Geschlechts und Ekin Deligöz wegen ihrer Zugehörigkeit zum Realo-Flügel. Letzteres gilt auch für Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt, immerhin Expertin für Familien- und Sozialpolitik. Die „Bild“ bringt Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, ins Spiel.

Anne Spiegel wird in die Suche nach einer geeigneten Nachfolge wohl nicht mehr involviert sein. Ob sie noch einmal den Weg zurück in die Politik findet, wird sich zeigen. Mit ihrem noch jungen Alter von 41 Jahren, hat Spiegel noch eine lange Karriere vor sich.

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